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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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erwischt Gruber eine «Scrubs»-Folge und legt das Telefon wieder weg. Später. Später geht auch noch.
    In der Früh hatte Gruber bei der Hotelrezeption angerufen, und kein Problem, das Zimmer ließ sich verlängern. Das geschah, nachdem er endlich aufgestanden war, um sein Auge im Spiegel zu betrachten und sich dann einzugestehen, dass ein in kaltes Wasser getauchtes Handtuch zwar das Pochen ein bisschen zu lindern, an der Gesamtsituation aber wenig zu ändern vermochte. Danach läutet sein Telefon, es dudelte und piepte und ruckelte über das Leintuch. Gruber sah ihm dabei zu und überlegte, ob er es abschalten sollte, aber er hatte sein Telefon seit Jahren nicht mehr abgeschaltet, außer in Flugzeugen, und da hatte er sich jedes Mal gleich wie nicht mehr in der Welt gefühlt, wie gar nicht da. Er stellte das Telefon auf lautlos und legte ein Kissen darauf. Er hatte sein blutstarres Hemd ausgezogen und in den Koffer gestopft, und er hatte den Brief, während er automatisch seinen Bauch betastete (nichts, im Moment) aus der Tasche gefingert, und jetzt lag er neben ihm im Bett, noch immer ungeöffnet, ein weißes, zerknittertes, fensterloses Kuvert. Krankenhäuser schreiben ja eigentlich keine Briefe mehr. Die rufen an und mailen, die schreiben nur noch an Leute, die auf Anrufe und Mails nicht reagieren, so wie Gruber, der die Anrufe weggedrückt und die Mails ungelesen gelöscht hatte, was gar nicht leicht gewesen war. Irgendwann kam der Brief, den er zerreißen und wegschmeißen hätte können, aber er tat es nicht. Er trug ihn ungeöffnet mit sich herum und beherbergte ihn (wie den Schmerz). Und jetzt liegt er auf dem Hotelbett, halbzerknüllt, mit Grubers Namen im Adressfeld. Der Name eines Toten, so wie Gruber es sieht.
    Dass Gruber überhaupt zum Arzt gegangen war, grenzte praktisch schon an ein Wunder. Gruber geht normalerweise nicht zum Arzt. Ärzte sind, sagt Gruber gern und oft zu Kollegen und Freunden, Bekannten und auch Fremden, Ärzte sind etwas für Luschen. Für Hypochonder. Und für Leute, die gern krank sind. Und für Leute, die gern Hilfe in Anspruch nehmen. Für alte Leute. Und für Leute, die nach Gründen für Selbstmitleid suchen. Und für unattraktive Leute, die sonst keine Beachtung finden. Für Leute, die sonst kein Leben haben, und für solche, die sich gern von anderen bemitleiden lassen. Für schwache Leute. Feige Leute. Kinder. Grubers Aversion gegen Ärzte hatte vielleicht, wenngleich nicht zwingend, etwas damit zu tun, dass seine Mutter, die Ärztin, schon nicht mehr praktizierte, als sie Kinder waren, und außer ihrer Familie und ein paar Freundinnen niemanden mehr hatte, an dem sie ihre Profession ausüben konnte. Später arbeitete sie wieder, und immer noch, weit über ihr Pensionsalter hinaus, in der Flüchtlingsbetreuung. Aber damals, als Grubers Vater der Meinung war, eine Ehefrau sei in der Küche und im Kinderzimmer besser aufgehoben, vor allem, weil der Vater selbst nicht die geringste Lust zeigte, sich dort aufzuhalten, damals hatte sie praktisch nur die Gesundheit ihrer Kinder gehabt, über die sie wachen konnte. Und das tat sie mit Leidenschaft, vor allem, mutmaßt Gruber, damit sie sich damals selber einreden konnte, ihr jahrelanges Studium habe einen Sinn gehabt, irgendeinen Sinn.
    Sobald Gruber sich der ärztlichen Überfürsorglichkeit seiner Mutter durch Volljährigkeit und Wohnungswechsel entwinden hatte können, trachtete er danach, den Kontakt mit Ärzten wenn möglich zu vermeiden. Und hatte sich, wenn seine Vorsorgemaßnahmen aus fast täglichem Fitnessstudio sowie Vitaminen, Vitaminen und Vitaminen einmal ihre Wirkung verfehlten, auf Selbstmedikation verlegt, je nachdem, was die Situation erforderte: Haschisch, Schmerzmittel, Speed, Koks, manchmal Heroin, als Rauchware. Früher, vor Jahren, waren ihm Kathi und ihre wechselnden sowie, vor Tom, überwiegend multitoxischen Gesponse dabei gute Komplizen gewesen. Er ging nur einigermaßen regelmäßig zum Zahnarzt, aber das auch erst infolge einer Notsituation. Über Jahre hatte Gruber ständig und ohne danach gefragt worden zu sein gegenüber Kollegen und Freunden geäußert, Zahnärzte seien ein sich selbst erhaltendes System, Zahnärzte lebten ausschließlich von der Angst und auch von der Eitelkeit ihrer Patienten, aber vor allem von der Angst, und zwar von jener, die sie ihren Patienten vorsätzlich und in vollumfänglich egoistischer Absicht machten: Einer in Wirklichkeit irrationalen, unsinnigen Angst, wie

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