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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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Gruber nicht müde wurde zu betonen – da bitte, meine Zähne, zahnarztfrei, strahlend weiß und ma-kel-los! –, auch seiner Mutter gegenüber, die darüber den Kopf schüttelte und irgendwann nichts mehr sagte und nicht mehr fragte.
    Dann eiterte Gruber ein unterer Backenzahn heraus und ein Schneidezahn faulte ihm von hinten durch. Es wurden in kurzer Zeit vier Implantate, eine Brücke und drei Wurzelbehandlungen notwendig: Wobei eine, von einem erwartungsgemäß völlig unfähigen Zahnarzt durchgeführt, misslang und ein halbes Jahr voller teils schlimmer Schmerzen nach sich zog. Denn dieser Verbrecher von Dentist hatte, wie nach schmerzzerfressenen sechs Monaten ein anderer Dentist auf einem Röntgenbild entdeckte, ein Stück Wurzelbehandlungsdraht über Grubers Zahnwurzel abgerissen und einfach darin stecken lassen. Wo es immer noch steckte, nachdem die Versuche zweier weiterer Zahnärzte, das Metallstück zu entfernen, gescheitert waren. Man könne, hatte einer von ihnen gemeint, eigentlich nur noch von der anderen Seite, also von außen durch den Knochen in die Zahnwurzel bohren und versuchen, den Draht herauszufitzeln. Aber Gruber solle doch lieber abwarten, ob der Schmerz nicht vielleicht auch so nachlasse.
    Das tat Gruber, und der Schmerz ließ nach, wenngleich erst nach weiteren zwei Monaten, in einer Nacht, in der Schmerzexplosionen seinen ganzen Kopf erschütterten: Das war nicht mehr der pochende Schmerz in seinem linken unteren Backenzahn, auf den er sich konzentrieren konnte, und der, zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten nach Einnahme einer  400 er Seractil langsam verblasste, das war ein anderer, ein unvergleichlich grausamerer Schmerz. Dieser Schmerz breitete sich über seine Gesichtsknochen in sein gesamtes Gehirn bis in seinen Hinterkopf aus, er konnte nicht mehr denken vor lauter Schmerz, und die Seractil, die ihn im Verbund mit einem Joint dann und wann über die Monate gebracht hatten, halfen nicht mehr, auch nicht vier oder fünf davon. Irgendwann in dieser Nacht, die Gruber weitgehend mit der Stirn auf seinem Parkettboden verbracht hatte, stöhnend, wimmernd, und, ja, laut weinend, irgendwann gegen drei Uhr früh hörte der Schmerz einfach auf und kam nicht wieder. Als hätte er sich selbst weggebrannt. Als sei er implodiert. Danach ging Gruber eine lockere, aber konstante Beziehung mit einem Zahnarzt ein, und zwar zu jenem, der ihm zum Abwarten geraten hatte.
    Andere Ärzte beglückte Gruber mit seiner Aufwartung auch weiterhin nur, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, wenn ein medizinisches Problem unübersehbar, unüberfühlbar wurde. Eben dies war vor vier Wochen geschehen. Gruber hatte japsend und verkrampft in seinem Fitnessstudio neben dem Stairmaster gekauert, von dem ihn ein plötzlich losbrandender, höllischer Schmerz in seinen Innereien heruntergefegt hatte. Ja, Gruber hatte sich angestrengt, er hatte sich sogar ein bisschen überanstrengt, aber eigentlich nicht mehr als sonst. Er hatte geschwitzt und gekeucht, und da war der Schmerz in seinen Bauch gefahren. Und hatte dort zu rasen begonnen. So ein Schmerz war Gruber bisher unbekannt. Er hatte in dem Moment gewusst, mit dem stimmt etwas nicht, das ist kein gewöhnlicher Schmerz. Er hatte eine andere Farbe, einen anderen Ton als die üblichen Schmerzen wie zum Beispiel dieser Gastritis-Schmerz, dem Gruber schon öfter begegnet war, und den ein mattes Orange auszeichnet, mit einem Stich ins Gelbe. Aber das hier war ein leuchtend roter Exklusiv-Schmerz mit einem dunklen Schatten, der bedeutete etwas. Ein paar Leute hatten aufgehört zu trainieren und waren mit besorgten, verunsicherten Blicken um Gruber herumgestanden. Gruber hatte am Boden gekniet und die Hände an den Bauch gepresst, wie ein angestochenes Gewaltopfer in einem Film. Er hatte Amy Winehouse diesen nicht mehr erträglichen «Rehab»-Song singen hören und gespürt, wie Leute ihn vorsichtig antippten und fragten, ob alles okay sei. Blöde, saublöde Frage, wenn alles okay wäre, dann hätte er sich hier kaum so würdelos auf dem stinkenden Linoleum gewälzt. Der Geschäftsführer des Studios war angerannt gekommen, hatte ihn an die Schulter gefasst und hektisch angeboten, die Rettung zu rufen, vermutlich, weil er den fragwürdigen Aufmerksamkeitseffekt, den ein in seinem Fitnessstudio verblichenes Mitglied erzielen würde, schnellstmöglich abwenden wollte. Aber Gruber hatte abgewinkt, als der Schmerz langsam, ganz langsam abebbte. Geht schon

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