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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Küche, aber drei Tage waren eigentlich lange genug. Jetzt brauchte sie etwas zum Durchstarten, eine schnellere Methode zur Bewußtseinserweiterung, als tausendmal Om Mani Padme Hum vor sich hin zu leiern, denn ihr Bewußtsein war wie ein verstopfter Abfluß, in dem noch die Erinnerung an Ronnie und die Überreste von zu Hause klebten. Außerdem mußte sie sich eingestehen, daß sie sich etwas verlegen fühlte in Gegenwart dieses nackten Freaks, der sich das rotblonde Haar wie einen Vorhang vors Gesicht schwingen ließ, so daß man seine Augen gar nicht sah, denn jetzt, da sie ihn tatsächlich in seinen Horst begleitet hatte, war alles anders. Er wußte nicht, was er zu ihr sagen sollte, und ihr fiel auch nichts ein. Der Joint war eine Opfergabe. Er war der große Gleichmacher, die heilige Kommunion, kiff dich voll und starr in die Leere, und wozu überhaupt reden? Sie rauchten ihn, bis auch der letzte Rest des Stummels zerfiel, gaben ihn weiter von Finger zu Finger, von Lippe zu Lippe, und keiner sagte ein Wort.
    In der Luft lag süßlich der Duft des Joints. Vögel ließen sich auf dem hölzernen Geländer nieder und musterten sie, als wären sie nichts als Bestandteile des Baumes, irgendeine unverhoffte Frucht, eine Nuß ohne Schale oder auch vielleicht ein Brandgeschwür, das gerade durch die Borke brach. Sie legte sich zurück, zerfloß in sich selbst, während die Geräusche der allmählich erwachenden Kommune – leise Stimmen, ein Klatschen im Pool, Musik aus dem Radio – aus der Ferne zu ihnen hinaufdrangen.
    »Waschtag«, sagte er und fügte ein gepreßtes Kichern hinzu, das eigentlich beiden die Befangenheit nehmen sollte, und das hätte auch funktioniert, wenn es ihm nicht in der Kehle zu Staub vertrocknet wäre. Hinter ihm lag, über die Zweige verteilt und wie aus großer Höhe herabgefallen, ein schlaffes Sammelsurium von Jeans, T-Shirts, löchrigen Unterhosen und nicht zusammenpassenden Socken. Sie stellte sich eine jähe Naturkatastrophe vor, einen Wirbelwind, der den Menschen die Kleider vom Leib gerissen, die Haut darunter jedoch verschont hatte. Oder Bomber hoch oben am Himmel, unterwegs nach Vietnam, die nasse Unterwäsche statt den Tod abwarfen.
    »Yeah«, brachte sie nur zustande, aber es kam ihr vor, als hätte sich das Wort zu zehn Silben Länge gedehnt.
    »War auch langsam Zeit. Ich hab schon gestunken wie ein überfahrener Igel.«
    »Erzähl mir davon«, sagte sie, und plötzlich liefen alle ihre Brenner mit voller Flamme, »denn als Ronnie und ich quer durch die Staaten gefahren sind, da war es auch so – Ronnie kennst du doch? Pan , meine ich. In jeder Stadt haben wir versucht, Vierteldollars für die Münzwäscherei zusammenzukriegen, aber entweder haben wir den Waschsalon nicht gefunden, oder die hatten überhaupt noch nie von Waschmaschinen und Trocknern und diesen Einmalpackungen mit Waschmittel und Bleiche gehört – kennst du die? Steht einfach nur Bleiche drauf, sonst nichts. Kein Markenname oder so, nur Bleiche . Findest du das nicht bescheuert?«
    »Na ja«, sagte er und nickte, als wäre er dabeigewesen, an jeder Straßenecke in jedem gottverlassenen Hinterwäldlerkaff, das sich in ganz Oklatexahoma auftreiben ließ. »Mag sein. Aber ist nicht gerade das der Fehler an dieser ganzen Konsumgesellschaft – die Markennamen? Als wäre meine Seife besser als deine? Im Chevrolet durch Amerika. Kaufen, kaufen, kaufen, töten, töten, töten, essen, essen, essen. Genau darum geht’s ja auch bei dem Krieg – um Produkte, um Markennamen, die Wirtschaft soll schön weiterbrummen, und wen kümmert’s schon, wenn dafür jeden Tag Frauen und Kinder mit Napalm bombardiert werden?«
    Sie setzte sich auf und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Aber hallo«, sagte sie, »langsam! Ich hab doch nur so geredet, sonst nichts.«
    »Schon in Ordnung«, erwiderte er und sah ihr jetzt in die Augen, alles klar. »Ich doch auch nur.«
    »Na schön«, sagte sie, »na schön, aber wenn wir nur reden, dann frage ich mich, wie du darüber denkst, nackt vor einer Frau zu sitzen, die du gar nicht kennst, noch dazu vollstoned um halb neun Uhr früh. Soll das eine Aussage sein, oder hast du einfach nichts mehr zum Anziehen?«
    Sie hatte erwartet, daß er darüber lachte, aber er blickte beiseite. Er hob die Schultern, straffe Muskeln, am Hals zuckte eine Sehne. »Weiß nicht recht«, sagte er und sah sie nun wieder an. »Macht er dich verlegen? Der menschliche Körper, meine ich?«
    Die Blätter raschelten,

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