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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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als hätte jemand ein neues Dia in den Projektor geschoben, der die Welt war. »Vielleicht«, antwortete sie. »Manchmal.«
    Das Meckern der Ziegen drang zu ihnen herauf, dann das Brummen eines Autos auf der Schotterstraße. Schließlich sagte er: »Warum ziehst du nicht deine Sachen auch aus, dann siehst du, wie’s ist?«
    »Ich weiß genau, wie’s ist – ich war heute früh um sechs in der Dusche. Warum ziehst du nicht deine wieder an?«
    »Weil sie naß sind.«
    Darauf lachte sie – sie war ihm auf den Leim gegangen. Seine Kleider waren tatsächlich naß, sie klebten wie Papiermaché auf den Zweigen und tropften unrhythmisch auf das Ziegenpaar herab.
    »Hör mal, Star«, sagte er und sprach damit ihren Namen zum erstenmal aus, seit sie ihn ihm gesagt hatte, »willst du nicht einfach eine Zeitlang hier oben mit mir abhängen, bißchen relaxen ...«
    »Und vögeln?«
    Er zuckte wieder die Schultern. »Klar. Wenn du’s draufhast.«
    Sie überlegte eine Weile und dachte an Ronnie und das neue Mädchen, Merry, an die Frau mit den großen Brüsten und an alles, was sich ihr so bot auf Drop City und in den Redwoodwäldern und überall sonst, wo sie hinwollte, um den verblödeten Beschränkungen der Spießerwelt zu entgehen, dann zog sie Marco in Betracht, sein Lächeln, sein Auftreten, seine Art, sich auszudrücken, und sagte: »Nein, hab ich wohl nicht.«
    Er ließ den Kopf sinken, und seine Stimme entspannte sich so sehr, daß sie so klang, als wäre sie aus einem Korb gefallen und rollte nun über den Boden: »Hab bloß mal gefragt ...«
    »Was ich dir damit sagen will«, sie packte seinen Arm knapp unterhalb des Handgelenks, »ich bin momentan liiert, würde ich sagen, okay? Deswegen.«
    Er zog die Beine an, zwei Muskelpakete spannten sich in seinen Waden, und als er jetzt aufstand, drehte er sich diskret von ihr weg. »Mag ja sein«, sagte er, jetzt schon etwas entschuldigend, »aber man weiß ja nie, bis man gefragt hat, oder?«
    Sie lachte, aber es war nicht das Lachen, das ihr vorschwebte, weil ihr dabei immer noch Ronnie und der Freak in dem Tipi durch den Kopf gingen. »Nein, man weiß nie.«
    Die Nacht war dunkler, als Nächte eigentlich sein dürfen, kein Mond, keine Sterne, der Himmel war zugeschnürt vom Nebel, der vom Fluß herüberwaberte. Sie konnte weder Marco noch Ronnie sehen, obwohl beide nur einen Meter vor ihr gingen, aber sie spürte den Staub unter ihren Füßen, roch das fischige Aroma des Swimmingpools irgendwo rechts, und sie hörte das metallische Scheppern der Ketten, mit denen die Ziegen unter der Eiche angebunden waren. Eine Grille ließ beharrlich eine winzige Tür knarrend auf- und zugehen.
    Verbie hatte beschlossen mitzukommen, als Schiedsrichterin, und dann war da Jiminy, der beinharte Jiminy. Er ging drei Meter hinter ihnen und fluchte leise im Dunkeln. »Scheiße. Verflucht! Ich seh überhaupt nichts. Hey, Verbie, wo bist du? Verbie? Star?«
    Von weiter vorn kam ein Zischen, dann fuhr Ronnie zu ihnen herum, der bleiche Kreis seines Gesichts schwebte in der Nacht wie eine kaputte Straßenlaterne. »Seid doch mal ruhig, Mensch!«
    »Wieso?« Verbies Stimme füllte die Finsternis. »Was meinst du mit ruhig sein? Wozu denn? Glaubst du, das hier ist ein Überfall oder was? Sind wir vielleicht Terroristen? Das sind unsere Brüder, um die’s hier geht, und das ist unser Zuhause, um ganz Drop City, das für uns da ist, alle Macht für alle – wieso also sollten wir hier ruhig sein, hä? Kannst du mir das mal erklären? «
    Lydia und Merry waren im großen Haus geblieben, an dem Feuer aus Holzabfällen, das Norm gegen die Kälte der Nacht angezündet hatte, gemütlich zusammengekuschelt und weggetreten, alle gemeinsam sahen Charlie Chaplin dabei zu, wie er seinen Schuh aß. (»Nein, echt ey, das ist total witzig, wenn er ihn im Topf kocht und dann die Schnürsenkel mit der Gabel aufrollt wie Spaghetti !«) Die Leute mümmelten Shitkekse und gossen sich Tee ein, saßen in Grüppchen herum, streckten sich auf Decken aus und tätschelten die straffen Bäuche der Hunde, als wären es Trommelfelle. Kaum einer machte Anstalten, sich der Expedition anzuschließen, die um Marco herum entstand (nur Ronnie hatte keine andere Wahl, als mitzugehen, wenn er überhaupt noch bei irgendwem glaubwürdig wirken wollte): Laßt uns die Sache doch locker angehen, lehnen wir uns zurück und warten, bis sich das Problem von selbst erledigt. Star wollte ebenfalls keinen Ärger – Konfrontationen haßte sie

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