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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ignorierte. Sie legte das Buch beiseite und griff nach der Thermosflasche mit der heißen Schokolade. Mit triefendem Schwanz und nassen Pfoten drängte der Hund sich neben sie und schnupperte an der Folie. »Das solltest du essen, solange es warm ist«, sagte sie.
    »Was ist da drauf? Doch kein Lammfleisch?«
    »Ein Omelett. Und Tonnen von Ketchup.«
    Sie sah zu, wie ihre Tochter die Thermosflasche aufschraubte und sich einen Becher Schokolade einschenkte, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten, als wäre es ein seltener Wein. Noch einmal bot sie ihr das Sandwich an, und diesmal nahm Anise es und legte es auf den Schoß, wo es zwischen der feuchten Nase des Hundes und den Falten des feuchten Schlafsacks balancierte, auf dem sie saßen. Wie Toby war Anise groß – schon jetzt eins siebzig –, und als sie sich jetzt anders hinsetzte und die Beine kreuzte, lange Beine, die dem Rest ihres Körpers noch voraus waren, rettete sie im allerletzten Moment und wie in einem nachträglichen Einfall das abrutschende Sandwich. Sie nippte an der Schokolade, sah auf den glänzenden Einband ihres Buchs ( Die amerikanische Kurzgeschichte von Hawthorne bis Hemingway , 25,95 Dollar, ein Betrag, den sie hatten zusammenkratzen müssen) und murmelte: »Die eine Geschichte gefällt mir richtig gut. ›Bartleby, der Schreiber‹. Kennst du die?«
    Der Titel klang vertraut, aber wenn Rita sie je gelesen hatte, dann auf der High School. »Vielleicht«, sagte sie. »Aber das muss vor langer Zeit gewesen sein, in einer sehr weit entfernten Galaxie. Es kommen keine Schafe darin vor, oder?«
    » Bitte .« Anise erstarrte, mit einemmal gereizt, und bedachte sie mit einem strengen Blick. Sie sah, dass ihre Tochter schlechtgelaunt war, drauf und dran, ihr zu sagen, wie sehr sie sich langweilte, wie sehr sie Schafe und Schaffarmen und Inseln und im Grunde das ganze Leben hasste. Sie sah, wie all diese komplizierten Empfindungen sich zu einem kalten, vorwurfsvollen Aufblitzen in ihren Augen verdichteten, doch dann zuckte Anise bloß die Schultern und ließ es dabei bewenden. »Ich meine, ich weiß nicht, ob’s dich interessiert, aber es geht um ein Büro und einen Schreiber – er schreibt alles mit der Hand, wahrscheinlich weil sie damals noch keine Fotokopierer und so hatten. Und immer wenn sein Boss ihm irgendwas aufträgt, sagt er: ›Ich möchte lieber nicht.‹«
    »Oh. Zielt das jetzt vielleicht irgendwie auf mich ab?«
    Anise lächelte bitter, doch in ihren Augen leuchtete etwas wie Vergnügen über diese Unterhaltung. Sie musste reden, sie musste sich über das, was sie fühlte, dachte und las, mit einem Menschen aus Fleisch und Blut austauschen, nicht mit dem gesichtslosen Lehrer, dessen strenge, steife Urteile unter ihren Arbeiten standen, in einer so winzigen Schrift, als wäre es der Warnhinweis auf einer Medikamentenschachtel.
    Sei nicht streng, sagte Rita sich. Halt den Ton leicht.
    »Denn wenn ich dich fragen würde, ob du ein paar Minuten allein hier im Regen sitzen möchtest, während ich zum Haus gehe und die Brote aus dem Ofen ziehe, würdest du sagen – wie lautet der Satz noch mal?«
    »›Ich möchte lieber nicht.‹«
    Sie wollte Anise die Last erleichtern und bemühte sich nach Kräften, ihren Einwänden zuvorzukommen, sie zu überreden und die Dinge voranzutreiben, aber ihre Tage waren bis auf die letzte Minute angefüllt, und im Augenblick brauchten die Lämmer sie nötiger als ihre Tochter. Und das Brot war im Ofen, der Eintopf stand auf dem Herd, und Bax lag fluchend im Bett und war wie ein Hornissennest, in dem jemand mit einem Stock gebohrt hatte. Sie wollte sich nicht streiten. Sie wollte nicht nörgeln. Aber sie konnte nicht anders. »Wie wär’s, wenn du das Sandwich isst, solange es noch warm ist?«
    »Ich möchte lieber … ach, Scheiße. Ich möchte lieber in ein Einkaufszentrum gehen, andere Leute sehen, irgendwelche Leute, nicht bloß dich und Bax und einen Haufen blöder Schafe. Ich meine, mein ganzes Leben, jeden Tag. Wie im Gefängnis.«
    Da war die Schuld. Sie fühlte sich an wie etwas Schweres, das ihr auf die Schultern gelegt wurde, denn sie war schuld an allem, was Anise ihr vorwerfen konnte, und noch mehr. Sie schloss die Augen, um diesen Gedanken auszuschließen, doch das funktionierte nicht. Sie sah Anise als kleines Mädchen, sie sah den Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie sie drei Wochen vor den Sommerferien aus der Schule genommen hatte und mit ihr auf eine Insel gezogen war, von der noch

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