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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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keine Tränen mehr hatte. Wozu das alles? Wozu die Sorgen, die Entbehrungen, wozu jeden Cent in die Herde stecken, ohne etwas davon zu haben, außer dass sie nur immer größer wurde? »Was geschehen ist, ist geschehen, wir können jetzt nur die Mütter zu ihren Kleinen zurückkehren lassen. Siehst du?« sagte sie und wies über die Wiese zu den Hügeln, wo Francisco und Bumper die Herde zusammentrieben. »Sie kommen schon. Sie sind genauso besorgt wie wir.«
    Anises Stimme war leise und bitter. »Und was ist mit denen, die keins mehr haben, um das sie besorgt sein können? Was sollen die tun?«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß, wie weh das tut.«
    Sie dachte daran, wie im vergangenen Jahr ein Lamm gestorben war, weil es ein verkümmertes Bein gehabt hatte, und die Mutter immer wieder an den Überresten – den Hufen, dem Schädel, dem Fell – geschnuppert hatte, auch als das Fleisch schon längst verwest gewesen war. Es war eine Art von Schmerz, die den Sprung von einer Spezies zur anderen schaffte, von Ovis aries zu Homo sapiens , auch jetzt, da dreiundsiebzig Mutterschafe vergeblich nach Lämmern riefen, die nicht mehr antworten konnten, und die Raben in den Bäumen saßen und lachten.
    »Wir müssen die Polizei rufen«, sagte Anise mit leiser, fester Stimme, und jetzt blickte sie auf und sah sie starr und streng an. »Sie sollen dafür bezahlen, diese Schweine, diese Jäger . Für jedes einzelne.«
    »Ja, Schatz, das tun wir.« Sie spürte, dass Wut und Hass und Verzweiflung sie aufs neue überkamen. »Ich werde gleich ans Funkgerät gehen und den Sheriff rufen, denn das ist unbefugtes Betreten und, ich weiß nicht, Sachbeschädigung oder –«
    »Mord.«
    Eine Meeresbrise kam auf – das scharfe Jodaroma stieg ihr in die Nase, der salzige Geruch von Schuppen, Federn und Flossen. Der Regen löste sich auf, bis es nur noch tröpfelte. »Das stimmt«, sagte sie. »Darauf läuft es hinaus.« Ungeduldig streckte sie die Hand aus. »Aber komm jetzt, Schatz, steh auf, beweg dich . Wir müssen ans Funkgerät, solange es noch die Möglichkeit gibt, sie zu schnappen.«
    Anise erhob sich und strich die nasse Jeans glatt. Die Lämmer lagen einfach da und blickten in den Wind, aber die Mutterschafe trotteten bereits herbei, und jedes erkannte sein Junges an Geruch und Stimme. »Aber was soll der Sheriff schon tun? Wenn er überhaupt kommt, dann erst in ein paar Tagen, und dann sind diese Kerle längst weg.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Rita und wandte sich zum Haus, »vielleicht können wir die Küstenwache alarmieren.« Einer der Männer, der Anführer, war ein großer Blonder mit kantigem Kinn, der aussah wie einer dieser blöden Catcher, die sich ihr Vater immer gern im Fernsehen angeschaut hatte, wenn sie ihn als Kind in New York besucht hatte. Er hatte sie nicht mal eines Blickes gewürdigt. Und er hatte kein Gewehr getragen wie die anderen beiden – sie waren vorbeigedonnert, die Gewehre über die Schultern gehängt, während sie an den Griffen ihrer Maschinen gedreht und nach Schlaglöchern, Hindernissen und einem dunklen Keiler Ausschau gehalten hatten. Wahrscheinlich hielt er sich für den wahren Könner, denn er hatte sich einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile umgehängt. Der große starke Mann. Der große Held. »Denn sie müssen ja irgendwo ein Boot haben … «
    Anise ging neben ihr her, groß, schlaksig, die Schultern gebeugt unter der Last all dessen, was falsch war, und das Buch in seinem Plastikeinband an die Brust gepresst. Das Haus lag vor ihnen, aus dem Schornstein stieg Rauch, Bax’ Licht brannte, und alles war, als wäre gar nichts geschehen, als wären die Uhren und die Sonne stehengeblieben. »Was glaubst du, wo die sind? Smugglers’ Cove? Da haben wir doch Schilder aufgestellt – also können sie nicht sagen, sie hätten nichts gewusst … «
    »Keine Sorge, mein Schatz«, sagte Rita und ging, so schnell ihre Beine sie trugen. Das war aus irgendeinem Song, oder nicht? Sie hatte Texte im Kopf von all den Songs, die sie gehört und gesungen hatte und noch singen würde, wenn das hier vorbei war, und gerade jetzt stellte sie sich einen neuen vor, im Bluesrhythmus. Er würde von tödlicher, gnadenloser Rache handeln. »Keine Sorge«, wiederholte sie, und die Worte fühlten sich in ihrem Mund wie kleine kalte Steine an, »das werden diese Scheißkerle noch bereuen, das verspreche ich dir.«
    Aber sie bereuten es nicht. Sie würden es nie bereuen. Denn es hatten sich Räder in Bewegung

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