Guardians of Eternity 10 - Gefaehrtin der Ewigkeit
entgegnete sie.
Recise blinzelte langsam. »Die Orakel mischen sich nicht in die Angelegenheiten der Welt ein, es sei denn, sie sind von äußerster Wichtigkeit.«
Das war keine Prahlerei, sondern schlicht und einfach Arroganz.
»Ja, natürlich.«
»Hier entlang.«
Recise bewegte sich anmutig und führte Nefri durch die Dunkelheit. Das Pulsieren seiner sexuellen Energie ließ allmählich nach, als werde ihm bewusst, dass Nefri nicht in der Stimmung für Spiele war.
Schweigend folgten sie den Tunneln, die tief hinunter in die Erde führten. Die Luft war kühl, aber zu Nefris Überraschung nicht feucht, wenngleich sie ganz in der Nähe das Plätschern eines Wasserfalls vernahm.
In weiterer Entfernung hörte sie gedämpfte Unterhaltungen. Die Sprachen, in denen sie geführt wurden, waren ebenso unterschiedlich wie die Wesen der Kommission. Wie bei den Vereinten Nationen, nur handelte es sich hier um äußerst gefährliche Dämonen, die das Töten dem Verhandeln vorzogen.
Nefri unterdrückte eine Grimasse, als ihr Begleiter am Eingang einer größeren Höhle anhielt.
»Das Orakel erwartet Euch in der hinteren Kammer.«
»Vielen Dank.«
Nefri wartete ab, bis der Zalez seinen Weg durch den Tunnel fortgesetzt hatte, bevor sie in die Höhle trat und ihre Sinne aussandte. Es war nicht so, dass sie eine Falle erwartet hätte. Wenn die Orakel sie tot sehen wollten, wäre sie längst nicht mehr am Leben.
Jedoch besaßen die Orakel eine sehr spezielle Vorstellung von sittlichen Werten. Sie wollte nicht hereinplatzen, wenn irgendwelche Dämonen damit beschäftigt waren, eine öffentliche Orgie zu feiern oder ihren besonderen Göttern eine unschuldige Person zu opfern.
Erst als sie den Schwefelgeruch wahrnahm, trat sie vor. Dieses Orakel kannte sie.
Nefri überquerte den glatten Steinboden, ohne auf die kahle Umgebung zu achten, die kaum angemessen für die mächtigsten Wesen der Erde war.
Jedes der Orakel verfügte über sein eigenes privates und normalerweise luxuriöses Versteck, doch während der Schlacht gegen den Fürsten der Finsternis hatten sie sich in diesen Höhlen versammelt. Die Tatsache, dass die Orakel hiergeblieben waren, war nicht sonderlich beruhigend.
Als Nefri den hinteren Bereich der Höhle erreicht hatte, erblickte sie die winzige Dämonin, die in eine seichte Wasserlache starrte. Ihre neunzig Zentimeter große Gestalt war in eine lange, weiße Robe gehüllt.
Auf den ersten Blick hätte man sie mit ihrem herzförmigen Gesicht und ihrem silbernen Haar, das zu einem bodenlangen Zopf geflochten war, für ein Kind halten können. Ein zweiter Blick jedoch enthüllte die eigenartigen länglichen Augen, die einfarbig schwarz waren. Augen, die erfüllt waren von einem uralten Wissen.
Oh, und außerdem waren da auch noch die scharfen, spitzen Zähne.
Und die kaum zu bändigende Macht, die imstande war, ganze Städte zu zerschmettern.
»Siljar?«, fragte Nefri, als die Frau den Blick weiterhin auf das Wasser gerichtet hielt und forschend irgendein Bild betrachtete, das sie beschworen hatte.
Mit einer Handbewegung ließ Siljar das Bild verschwinden und seufzte schwer. »Die Kinder von heute«, beschwerte sie sich, während sie ihre Aufmerksamkeit Nefri zuwandte.
»Ich kann Euch später noch einmal aufsuchen, wenn Ihr beschäftigt seid.«
»Nein, dies ist wichtig.« Siljar deutete mit einem Finger auf einen Holzstuhl. »Nimm Platz.«
Nefri gehorchte, ohne zu zögern. Sie setzte sich auf den Rand des Stuhls und faltete die Hände im Schoß.
»Hat diese Angelegenheit etwas mit dem Fürsten der Finsternis zu tun?«
Siljar schüttelte den Kopf. »Nein, dieses Kapitel ist abgeschlossen.«
»Dem Himmel sei Dank«, sagte Nefri, aufrichtig erleichtert.
Siljar hielt eine kleine Hand in die Höhe. »Nicht so hastig.«
Nefris ruhige Miene geriet nicht ins Wanken, wie kaum jemals. Sie besaß jahrhundertelange Übung darin, ihre Emotionen zu verbergen. Das ging so weit, dass viele Leute annahmen, sie verfüge über keinerlei Gefühle.
Insgeheim jedoch machte sich ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengrube bemerkbar. Wenn sich neues Unheil zusammenbraute, dann gab es keinen Grund, ausdrücklich sie um Hilfe zu bitten, es sei denn …
»Dies hat etwas mit dem Schleier zu tun, nicht wahr?«
Siljar nickte langsam. »Es hat eher mit dem zu tun, was mit dem Schleier in Schach gehalten werden sollte – zu diesem Zweck wurde er erschaffen.«
Nefris Furcht wuchs. Es war beinahe vier Jahrhunderte her, seit sie
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