Gucci war gestern
diejenige, die ununterbrochen eure Verkaufschefs angerufen hat, um sich anzupreisen. Ich war es, die zu jedem öden, grässlichen und ausnehmend peinlichen Netzwerk-Event gelatscht ist, nur um vielleicht einen von Euch persönlich kennenzulernen. Das waren meine Anzeigen, die Ihr im Chicago Tribune und im Chicago Reader gesehen habe, nur um Euch unter die Nase zu reiben, dass es mich gibt. (Und wenn Sie sich erinnern mögen, ich war auch das Mädel, dem diese ganze Mühe nichts eingebracht hat als ein paar E-Mails von irgendwelchen Perversen.)
Um Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen: Ich bin die Frau, die zu Ihren Vor-Vorstellungstests aufgelaufen ist, die Ihnen gestattet hat, eine Schuldenauskunft über mich einzuholen und meine Zeugnisse einzusehen; ich habe für Sie in Plastikbecher gepinkelt und mich von einem nach dem anderen in Ihrem Unternehmen auseinandernehmen
lassen. Wissen Sie noch, als Sie mich zu sage und schreibe sechs Vorstellungsterminen gebeten haben? Und als Sie mich einen Geschäftsplan haben vorlegen lassen, den Sie sich dann stiekum unter den Nagel gerissen haben?
Ich war es, die mit zusammengebissenen Zähnen gelächelt, die genickt und mit einem dicken Kloß im Hals gesagt hat: »Klingt super!«, als Sie mir von einem Grundgehalt erzählten, das 40 000 Dollar unter dem lag, was ich zuletzt für denselben Job bekommen habe. Und ich bin es auch, die neben dem Briefkasten ausgeharrt hat, das schnurlose Telefon in der Hand, und darauf gewartet hat, dass sich endlich etwas tut - irgendwas.
Mal ehrlich, ihr wisst nicht, dass ich die Frau bin, die in eine verrufene Gegend gezogen ist und, als die Arbeitslosenunterstützung ausgelaufen ist, ihren Schmuck verhökert hat, ihr Auto und überhaupt den größten Teil ihrer Habe, damit sie die Miete bezahlen konnte, während sie gleichzeitig weiterversucht hat, Sie irgendwie auf sich aufmerksam zu machen?
Sie wissen nicht mehr, dass ich diejenige bin, die geweint und sich wert- und nutzlos gefühlt und an ihren einst so gefragten Fähigkeiten und Kenntnissen gezweifelt hat, weil sie nicht mal einen Job als Rezeptionistin bekommen hat. Ich war es, die in den vergangenen zweiundzwanzig Monaten immer wieder dieselben unschönen Gespräche mit ihren Eltern führen und sich rechtfertigen musste, da sich nichts getan hat. Und Sie wissen auch nicht, dass ich allein für Nylonstrümpfe und Taxifahrten 1000 Dollar in den Wind geschossen habe.
Tja, aber wissen Sie was … Ich erinnere mich an Sie.
Und deshalb sage ich sämtlichen Unternehmen, die mich nicht angestellt haben: IHR KÖNNT MICH MAL!
Ihr hattet die Gelegenheit, mich einzustellen, Ihr Dreckschweine! Also kommt jetzt bloß nicht angekrochen. Eure miesen, undankbaren Verkäuferinnenjobs würde ich nicht haben wollen, selbst wenn ihr auf Knien angerutscht kämt! Ich nehme jedes bisschen Marktwissen,
das ich habe, mit ins Grab! Ha! Niemals wieder werdet ihr von meinen Kontakten oder meiner Expertise oder meiner Professionalität profitieren! Eure Kopierer und Presseerklärungen und Finanzdienstleistungen müssen sich selbst verkaufen, denn ich weigere mich, es jemals wieder zu tun! Ich habe euch jede Gelegenheit geboten, mich an Bord zu holen. Ihr hattet eure Chance; ihr habt sie verschenkt.
Jetzt musst du sehen, wie du allein klarkommst, Corporate America …
… viel Glück.
Inzwischen arbeitet Fletch schon seit ein paar Wochen in seinem neuen Job. Um fünf Uhr morgens steht er auf, damit er den Bus um sechs erwischt, um dann den Anschlusszug um 6.20 Uhr zu nehmen. Ich stehe jeden Morgen mit ihm auf, mache Frühstück, packe ihm ein Lunchpaket, koche ihm einen Kaffee zum Mitnehmen und bügele seine Hemden. Ich finde, wenn er den ganzen Tag übermüdet herumläuft, dann sollte ich das auch. Außerdem ist das ein kleiner Preis für die Chance, meinen Traum zu verwirklichen, Schriftstellerin zu werden.
Als Allererstes wollen wir uns ein neues Auto kaufen, und das sollten wir uns in ein paar Monaten leisten können, wenn wir Fletchs Provisionen brav auf die hohe Kante legen. Und da unsere Nachbarn von unten uns nach meiner kleinen unüberlegten Bemerkung den Krieg erklärt haben, würde ich gerne woandershin ziehen. Wobei das momentan noch ein ziemlich unrealistischer Wunschtraum ist. Als wir vor ein paar Wochen eine Anzeige aufgegeben haben, um einen Nachmieter zu suchen, hat sich niemand gemeldet. Es wird also wohl schwieriger als gedacht, hier wieder wegzukommen. Doch da ich dankbar
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