Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
was sie wusste.«
»Manuela kam also zu Duilios Wohnung, um Kokain zu holen, das sie nach Rom bringen wollte.«
»Ja.«
»Wie viel brauchte sie?«
»Ich weiß es nicht. Sie nahm manchmal fünfzig Gramm mit, manchmal auch hundert. Das machten die beiden untereinander ab. Wenn sie Geld hatte, zahlte sie sofort, andernfalls gab Duilio es ihr auf Kredit.«
»Was macht Duilio beruflich?«
»Er ist Autohändler. Das heißt, er arbeitet im Autohaus seines Vaters, aber er macht auch Geschäfte mit Politikern.«
»Und rundet sein Gehalt mit Kokain auf.«
Wieder nur ein Nicken.
»Wie alt ist dieser Herr?«
»Zweiunddreißig.«
Ich verwendete ein paar Sekunden darauf, mir den Stand der Dinge klarzumachen, bevor ich weiterfragte.
»Manuela kam also zu Duilio, wo du auch warst, duschte, und dann?«
»Ursprünglich wollten wir essen gehen, aber Manuela wollte erst noch den Stoff probieren. Es war eine neue Lieferung, die Duilio erst am Vortag bekommen hatte.«
»Kam sie mit dieser Absicht?«
»Ja. Sie war ein paar Tage ohne Stoff gewesen. Sie hatte erwartet, bei den Trulli etwas zu bekommen, aber an jenem Wochenende hatte dort keiner etwas. Also hatte sie sich in den Kopf gesetzt, etwas zu besorgen.«
Anita war eine gute Beobachterin. Was hatte sie gesagt? Manuela schien nicht ruhig, sie wirkte irgendwie beschleunigt.
»Heißt das, dass sie süchtig war?«
»Sie nahm es fast jeden Tag. Anfangs ließ sie es sich schenken, sie schnupfte es auf Partys. Dann genügte ihr das, was sie geschenkt bekam, nicht mehr, und sie fing an zu dealen. Ganz bestimmt hätte das Geld, das sie von ihren Eltern bekam, nicht dafür gereicht.«
»Erzähl weiter.«
»Sie duschte, und wir beschlossen, ein paar Lines zu ziehen, bevor wir ausgingen. Das Zeug war erstklassig, mit das beste, was wir je probiert hatten. Nach zwei oder drei Lines war es Zeit zu gehen, aber sie wollte noch nicht. Sie schnupfte immer weiter, und ich sagte ihr, sie solle aufhören, sie übertrieb es. Aber sie meinte, sie sei so lange auf dem Trockenen gesessen, dass sie beinahe depressiv geworden war, und sie müsse das jetzt nachholen. Sie lachte und bewegte sich wie eine Wahnsinnige. Irgendwann begann auch Duilio, sich Sorgen zu machen.«
»Und was geschah dann?«
»Duilio sagte, es sei genug und wollte die Tüte wiederhaben. Sie wurde wütend und fing an zu schreien, wenn er ihr nicht noch etwas gebe, würde sie die Wohnung auf den Kopf stellen. Wie ich schon sagte, sie drehte durch.«
Ein paar Sekunden lang hörte ich nicht mehr auf Caterinas Worte, sondern nur auf den Klang ihrer Stimme. Es schwang keine Emotion darin mit, der Rhythmus war monoton, sie klang nicht wie ein Mädchen, das vom Ende ihrer besten Freundin erzählt. Ich schüttelte den Kopf, ich hatte eine Gänsehaut.
»Kannst du den letzten Teil noch einmal wiederholen? Ich habe nicht aufgepasst.«
»Er sagte, er würde ihr nur noch eine Line geben und dann nichts mehr. Er schüttete das Kokain auf den Tisch, und vielleicht war er etwas zu großzügig. Wie ich dir schon sagte, hatte sie bereits sehr viel geschnupft und zog auch diese Line noch. Es war nicht das erste Mal, dass sie es so übertrieb.«
»Und dann?«
»Nach einiger Zeit fing sie an, sich unwohl zu fühlen. Sie schwitzte, zitterte, hatte Herzrasen und es sah aus, als hätte sie plötzlich Fieber. Außerdem waren ihre Pupillen so geweitet, dass man Angst bekam.«
»Was habt ihr getan?«
»Ich wollte den Notarzt rufen, aber Duilio sagte, wir sollten lieber noch warten. Er sagte, er habe schon mehrmals Leute in diesem Zustand gesehen, das gebe sich nach kurzer Zeit. Er sagte: Komm, wir warten, so was kommt vor. Wenn wir den Notarzt rufen, steht auch die Polizei bald vor der Tür, und wir sitzen in der Scheiße. Du wirst sehen, bald geht es ihr besser. Irgendwann hörte sie auf zu zittern und schloss die Augen. Es sah aus, als wäre sie eingeschlafen, und das beruhigte uns. Wir dachten, dass die Krise vorbei ist.«
»Aber?«
»Nach ein paar Minuten merkten wir, dass sie nicht mehr atmete.«
Wieder dieser völlig neutrale Ton, der einem einfach nur Angst machte.
Ich war von Anfang an überzeugt gewesen, dass Manuela tot war. Aber jetzt, wo ich es sicher wusste, jetzt, wo es mir eine Person sagte, die sie hatte sterben sehen, konnte ich es nicht glauben. Ich versuchte, dieses Gefühl genauer zu analysieren, und dabei merkte ich, dass ich mir Manuela an all den Tagen, an denen ich sie für tot gehalten hatte, trotzdem lebendig
Weitere Kostenlose Bücher