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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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fesseln und verhaften, wie es wahrend meines Schlafes geschah; ferner solle mir Speise und Trank zur Genüge gereicht, und eine Maschine zu meinem Transport in die Hauptstadt in Stand gerichtet werden.
    Dieser Entschluß konnte vielleicht kühn und gefährlich erscheinen; auch würde ein europäischer Fürst bei ähnlicher Gelegenheit schwerlich eine solche Maßregel treffen. Nach meiner Meinung war er aber sowohl klug als edelmüthig. Hätten nämlich jene Leute es versucht, mich mit ihren Pfeilen und Speeren zu tödten, während ich schlief, so wäre mein erstes Gefühl beim Erwachen sicherlich ein heftiger Schmerz gewesen; dadurch wäre meine Wuth und alle meine Kraft aufgeregt worden, so daß ich meine Bande sehr leicht würde zersprengt haben. Da sie in dem Fall mir keinen Widerstand hätten leisten können, durften sie auch keine Gnade erwarten.

    Das Volk zeichnet sich durch mathematisches Wissen aus und hat es zu einer großen Vollkommenheit in mechanischen Arbeiten gebracht, weil der Kaiser, der überhaupt als berühmter Beschützer der Gelehrten gilt, jene Bestrebungen unterstützt und ermuthigt. Dieser Fürst besitzt mehrere auf Rädern ruhende Maschinen zum Transport der Bäume und anderer Dinge von großem Gewicht. Er läßt oft seine größten Kriegsschiffe, wovon einige an neun Fuß lang sind, an Ort und Stelle, wo das Zimmerholz wächst, verfertigen, und dann in der Entfernung von drei bis vierhundert Ellen zur See fahren. Fünfhundert Zimmerleute und Ingenieure wurden sogleich in Thätigkeit gesetzt, um die größte Maschine der Art, welche vorhanden war, in der Schnelle zuzurichten. Es war ein hölzerner und drei Zoll über den Boden erhabener Bau, sieben Fuß lang, vier Fuß breit, und mit zweiundzwanzig Rädern versehen. Der Freudenruf, den ich vernahm, erscholl wegen der Ankunft der Maschine, die, wie es schien, schon vier Stunden nach meiner Landung in Bewegung gesetzt wurde. Sie ward mit meiner Lage parallel gestellt; aber nun kam die größte Schwierigkeit. Wie sollte ich auf das Fuhrwerk gehoben werden? Achtzig Pfähle von ein Fuß Höhe wurden zu dem Zweck eingerammt. Sehr starke Stricke, von der Dicke eines Bindfadens, wurden mit Haken an eine gleiche Zahl von Banden geheftet, welche die Arbeiter mir um Hände, Hals, Leib und Arme geschlungen hatten. An den Pfählen hingen diese Stricke auf Rollen; neunhundert der stärksten Männer wanden dieselben auf. Somit wurde ich in ungefähr drei Stunden emporgehoben, in die Maschine geworfen und dort festgebunden. Alles dies ist mir nachher erzählt worden, denn während der Operation lag ich, wegen des Schlaftrunkes in dem von mir genossenen Weine, im tiefsten Schlaf. Fünfzehnhundert Pferde, die größten, welche der Kaiser besaß, die an Länge zwei Zoll und an Höhe einen halben Zoll betrugen, wurden vorgespannt, um mich zur Hauptstadt zu ziehen, welche, wie ich hörte, eine halbe Meile entfernt war.

    Nachdem wir ungefähr vier Stunden unterweges gewesen waren, erwachte ich durch einen sehr lächerlichen Umstand. Als nämlich das Fuhrwerk anhielt, damit irgend einer plötzlichen Verwirrung abgeholfen werde, konnten zwei oder drei junge Eingeborne ihre Neugier, mich schlafen zu sehen, nicht unterdrücken. Sie kletterten auf das Fuhrwerk, und schlichen sich auf den Zehen an mein Gesicht. Einer von ihnen, ein junger Gardeoffizier, steckte aber in mein linkes Nasenloch die Spitze seines Spontons, welche mich wie ein Strohhalm kitzelte, so daß ich mehrere Male niesen mußte. Dann schlichen sie sich unbemerkt davon und erst nach drei Wochen erfuhr ich die Ursache meines plötzlichen Erwachens. Während der übrigen Zeit machten wir einen langen Marsch; in der Nacht ward Halt gemacht. Fünfhundert Gardisten waren an jeder Seite aufgestellt; die eine Hälfte derselben trug Fackeln; die andere, mit Bogen und Pfeilen ausgerüstet, stand bereit auf mich zu schießen, sobald ich mich rühren würde. Am nächsten Morgen setzten wir bei Sonnenaufgang uns wieder in Bewegung und waren gegen Mittag nur noch zweihundert Ellen von den Stadtthoren entfernt. Der Kaiser kam uns mit seinem ganzen Hofe entgegen; die Großoffiziere wollten aber durchaus nicht leiden, daß Seine Majestät durch das Besteigen meines Körpers sein Leben in Gefahr setze.
    Der Wagen hielt bei einem alten Tempel an, welcher, wie es hieß, der größte im ganzen Königreiche war. Einige Jahre vorher war er durch einen unnatürlichen Mord befleckt worden. Das Volk hielt ihn deshalb für

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