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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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Degul. Dann gaben sie mir durch Zeichen zu verstehen, ich solle die leeren Fässer fortwerfen. Zuerst aber hatten sie den Umstehenden erklärt, auf ihrer Hut zu seyn. Als die Fässer nun durch die Luft flogen, ertönte ein abermaliges Freudengeschrei.

    Ich muß gestehen, daß ich wohl in Versuchung kam, dreißig oder vierzig von jenen Herren, welche auf meiner Brust herum spazirten, die ich packen konnte, mit kurzem Proceß auf den Boden zu werfen. Allein die Erinnerung meiner so eben überstandenen Plage, wahrscheinlich noch nicht die schlimmste Peinigung, die in ihrer Macht lag, und dann auch mein Ehrenwort ruhig zu bleiben, (denn so deutete ich mir meine unterthänigen Bewegungen) brachte mich bald auf andere Gedanken. Außerdem hielt ich mich durch die Gesetze der Gastfreundschaft jenen Leuten für moralisch verpflichtet. Sie bewirtheten mich ja mit so viel Kostenaufwand und Freigebigkeit. Dennoch mußte ich über die Unerschrockenheit dieser Diminutiv-Menschen erstaunen, welche keck genug auf meinem Leibe spazieren gingen, während meine linke Hand durchaus zu meiner Verfügung stand, und die dennoch nicht vor einem so wunderbaren Geschöpf, wie ich ihnen erscheinen mußte, erzitterten. Als meine neuen Bekannten darauf bemerkten, daß ich nicht weiter zu essen verlangte, erschien eine Person hohen Ranges von Seiten Seiner Kaiserlichen Majestät. Seine Excellenz stieg auf mein rechtes Knie, unter meinen Waden hinauf; marschirte mit einem Dutzend Trabanten an mein Gesicht, präsentirte mir sein Creditiv mit dem königlichen Siegel, hielt es mir dicht vor die Augen, und sprach ungefähr zehn Minuten ohne Zeichen von Zorn, jedoch mit dem Ausdruck der Entschlossenheit; oftmals wies die Excellenz nach einer bestimmten Richtung, wo, wie ich bald bemerkte, die Hauptstadt in der Entfernung einiger Meilen lag. Seine Majestät hatte nämlich im geheimen Rathe beschlossen, mich dorthin transportiren zu lassen. Ich antwortete in wenig Worten. Allein, was half mir das? Deßhalb machte ich ein Zeichen mit meiner noch freien Hand. Ich legte sie auf die andre (beiläufig gesagt, ich mußte mich sehr in Acht nehmen, den Kopf seiner Excellenz nicht zu berühren, und ihn oder sein Gefolge zu beschädigen) und dann auf meinen Kopf und meinen Leib. Dies sollte nämlich bedeuten, ich wünsche meine Freiheit. Wie es schien, verstand Se. Excellenz mich vollkommen, schüttelte jedoch mißbilligend ihr Haupt und hielt ihre Hand in solcher Art, daß sie mir zu verstehen gab, ich müsse als Gefangener fortgeführt werden. Zugleich aber eröffnete sie mir durch andere Zeichen, ich würde Getränk und Speise zur Genüge erhalten und sehr gut behandelt werden. Hierauf versuchte ich noch einmal meine Fesseln zu zerreißen, allein zum zweiten Mal empfand ich das Prickeln der Pfeile auf Gesicht und Händen, die bereits beide mit Blasen bedeckt waren; auch fühlte ich, daß noch einige Pfeile in der Haut steckten, und sah zugleich, wie die Zahl meiner Feinde sich vermehrte. Somit gab ich Zeichen, sie mögten mit mir thun, was sie wollten. Alsdann entfernte sich der Hurgo nebst seinem Gefolge mit vieler Höflichkeit und vergnügtem Gesicht. Bald darauf vernahm ich einen allgemeinen Schrei, worin die Worte Peplom selan häufig wiederholt wurden; ich fühlte zugleich wie eine Menge von Leuten die Stricke an meiner linken Seite in der Art lösten, daß ich mich auf die rechte umdrehen konnte, um endlich meine Blase zu erleichtern.
    Dies that ich in vollem Maße, zum großen Erstaunen meiner neuen Bekannten, die aus meinen Bewegungen auf mein Vorhaben schlossen und sogleich rechts und links eine Gasse öffneten, den Strom zu vermeiden, der mit solchem Getöse und solcher Heftigkeit aus mir hervorbrauste. Zuvor jedoch hatten sie mir Gesicht und Hände mit einer angenehm duftenden Salbe eingerieben, welche in wenigen Minuten den durch die Pfeile verursachten Schmerz entfernte; dieser Umstand, so wie auch die Erfrischung, die ich durch Getränk und Speise erhalten hatte, welche wirklich sehr nahrhaft war, machte mich zum Schlaf geneigt. Wie man mir nachher gesagt hat, schlief ich acht Stunden, und dies war sehr natürlich, denn die Aerzte hatten auf Befehl des Kaisers einen Schlaftrunk mit dem Weine gemischt. Wie es scheint, war der Kaiser, sobald man mich nach meiner Landung auf dem Strande schlafend gefunden hatte, sogleich durch Couriere davon benachrichtigt worden und hatte im Staatsrath beschlossen, man solle mich in der von mir berichteten Weise

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