Gun Machine
spärlichen Sternenpanorama über dem modernen Manhattan konnte er Uhrzeit und Standort ablesen. Er hatte Zeit genug für die Wanderung zum letzten Ziel dieser Nacht.
Der Jäger machte sich auf den Weg. Er ließ eine Hand in die Tasche gleiten und tastete nach seinem Reisenotizbuch. Vor ihm lag ein Marsch von etwa zweieinhalb Stunden. Hätten sich die Überwachungskameras nicht zunehmend über die Stadt ausgebreitet, hätte er es mit Leichtigkeit unter zwei Stunden schaffen können. Doch der Jäger zog es vor, nicht gesehen zu werden. Er hatte sein Notizbuch mit selbst gezeichneten Karten gefüllt, auf denen die Positionen und geschätzten Blickfelder der Kameras vermerkt waren. Die Handhabung des Notizbuchs erschloss sich nur ihm, was selbstverständlich beabsichtigt war. Er bemühte sich stets, keine Spuren auf der Insel zu hinterlassen. Bis auf die Leichen seiner Beute. Sollte er wider Erwarten auf der Jagd getötet werden, trug er nichts am Körper, womit irgendjemand irgendetwas anfangen könnte. Ja, sollte es dazu kommen, würde er lediglich bedauern, dass man ihn nicht korrekt bestatten würde. Man würde ihm keine Nahrung mitgeben, um seinen Geist auf der Wanderung über die Milchstraße in den Himmel zu stärken. Niemand würde seinen Namen schreien, und wer sollte schon vor Trauer seine oder ihre Lippen versiegeln, um ihn nie wieder auszusprechen? Doch Letzteres, überlegte der Jäger, störte ihn weniger. Selbst jetzt, während seines Lebens, sprach niemand seinen Namen aus, da niemand seinen Namen kannte. Sein Name konnte nicht mit ihm sterben. Sein Name war bereits tot. Genau wie der Jäger selbst, wenn man so wollte.
Es hieß, dass sich der Geist nach dem Tod noch elf Tage in der Nähe der Leiche aufhalte. Vielleicht, dachte der Jäger, könnte er selbst ohne Körper noch einen Weg finden zu töten. Die Vorstellung verleitete ihn zu einem schmalen Lächeln.
Als er auf seinem Weg durch die Bowery die Grand Street passierte, wühlte er im Schein der elektrifizierten Verkaufsräume der zahlreichen Lampengeschäfte erneut in der Tasche. Der Jäger hatte etwas getrocknetes, in Plastik und Stoff eingeschlagenes Eichhörnchenfleisch dabei. Er verließ sich nur auf seinen Tastsinn, als er ein Stückchen abriss und das restliche Fleisch wieder sorgfältig einwickelte. Dann nagte er den ersten Bissen ab und kaute langsam und sorgfältig, im Einklang mit dem Rhythmus seiner Schritte. Ein Geschmack irgendwo zwischen Hähnchenschenkel und Kaninchen. Im oberen Bereich der Insel konnte man schmackhaftere Eichhörnchen erlegen; durch die Verunreinigungen, die die Tiere im Central Park zwangsläufig aufnahmen, wurde ihr Fleisch fader, teils sogar bitterer, als natürlich gewesen wäre. Doch es hielt ihn in Bewegung, es hielt seinen Speichel im Fluss, wodurch er Durst vermied und seine Kräfte schonte.
Knapp zwei Stunden später betrat der Jäger an der Kreuzung von Fifth Avenue und East Sixty-First Street den Central Park.
Er bewegte sich weiter in nördlicher Richtung. Auf Höhe der Seventy-Third Street verschlangen sich die Fußwege zu einem düsteren Gewirr inmitten dunkel dräuender Bäume. Der Jäger befand sich im Ramble. Nachdem er sich ein letztes Mal anhand des spärlichen Sternenhimmels seiner Position vergewissert hatte, schloss sich seine Hand um das Messer in der Tasche. Er glitt in eine Gruppe Amerikanischer Platanen.
Gelegentlich zog er die Blicke der Männer auf sich, die allein oder zu zweit am Wegesrand ausharrten und hin und wieder wie Motten zu den Straßenlaternen trieben. Der Jäger störte sich nicht an den Männern. Vor über zwanzig Jahren hatte er erfahren, dass sie » Zwei-Seelen « genannt werden sollten. Im Volk der Crow hatte es eine Zwei-Seele gegeben, die der Jäger bewunderte. Übersetzt hätte ihr wahrer Name gelautet: » Findet Sie Und Tötet Sie « .
Wenn ihr Blick die Augen des Jägers streifte, wandten sich die Männer ab. Er war nicht wegen ihnen hier. Und darüber waren sie froh, wenn ihr Blick seine Augen streifte.
Bald entdeckte er denjenigen, wegen dem er den Ramble aufgesucht hatte– der Mann umkreiste einen Geweihbaum, der sich auftürmte wie ein Gebirge. Exakt zur berechneten Zeit. Der Mann war nicht besonders groß, aber stämmig, was ihn trotz seiner mangelnden Körpergröße massig und robust wirken ließ, und er sah aus, als würde er mit den Händen arbeiten, mit Gewichten. Er trug Militärstiefel, die dem Jäger, so tief er sich auch in der modernen Zeit
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