Lisa findet ihren Herrn (German Edition)
Lisa hat einen trockenen Mund. Nur den geschlossen halten, bei aller Anstrengung jetzt . Der Berliner Sommer zeigt sich heute in gnadenloser Hitze. In zehn Minuten wird sie zu Hause sein, unter der Dusche stehen, und kühles Wasser wird über ihren heißen Leib und gleich auch in ihren geöffneten und gierig nach oben gereckten Mund fließen, in sie hinein, nur trinken, trinken, trinken , denkt Lisa. Mit dem Unterarm wischt sie sich über die Stirn, aber der Schweiß fließt ihr schon in die Augen und führt zu einem leichten Brennen. Diese blöde Fahrradfahrerei , denkt sie, es ist einfach zu anstrengend . Aber , sagt eine andere Stimme in ihr, dafür wirst du auch schneller zu Hause sein, als wenn du dich zu Fuß bei der Hitze quälen würdest. Gleich wird die Straße auch wieder eben und einige Pedaltritte später sogar in ein leichtes Gefälle übergehen. Vielleicht wird es ein wenig Fahrtwind geben , hofft Lisa und spürt, wie unter ihrem leichten Sommerkleid weitere Schweißtropfen unter ihren Armen an ihr hinunter rinnen, auf der Haut ein Kitzeln verursachen, um irgendwo auf Gürtelhöhe im körperanliegenden Stoff zu versickern. 34 Grad Celsius. Da könnte man doch gleich in der Südsee unter Palmen liegen. Der Strand kann auch nicht viel heißer sein als der Straßenasphalt, der die aufgestaute Hitze reflektiert.
Lisa glaubt mit jedem Tritt in die Pedale einen Schwung der warmen Luft an ihren nackten Beinen zu spüren. Der Henkel ihrer Einkaufstasche drückt auf der linken Schulter. Mit der rechten Hand verschiebt sie dessen Position, damit sein Druck weniger schmerzt. Bei dieser gnadenlosen Hitze sollte man die Wohnung nicht verlassen müssen. Daher hat Lisa alles gekauft, was ihr in den Sinn gekommen ist, um ihren Kühlschrank vollzupacken mit Obst und kühlen Getränken, die ihr nun fast zu schwer geworden sind. Ein eisgekühlter Früchtecocktail wäre jetzt genau das Richtige , schießt es ihr durch den Kopf, als sie sich ein weiteres Mal mit dem Unterarm über die nasse Stirn wischt, und dann einfach daliegen und sich eine Siesta gönnen , denkt sie. Einfach am Strand liegen oder auf einem riesengroßen Hotelbett, von dem aus man das Rauschen des Meeres hört und mit jedem Windstoß ein Hauch warmer Luft ins Zimmer strömt, den man über den Körper streichen spürt, zärtlich, prickelnd. Und die Hitzewellen würden in immer kürzeren Abständen ins Zimmer schießen, über sie hinweg strömen, sie würde die Arme und Beine weit von sich strecken, sich öffnen, um an jeder Stelle ihres Körpers einen angenehmen Lufthauch auf ihrer Haut zu spüren. So angenehm wie ein Streicheln oder sanftes Tasten eines überaus zärtlichen Liebhabers würde das sein. Dann würde sie die Augen öffnen und irgendein braungebrannter Typ würde bei ihr liegen, stellte sie sich vor. Sie würde seine heißen Hände auf ihrer Haut spüren, sie würde ihm ins schwarze Haar fassen und seinen Kopf tief zu sich herabziehen. Er würde ein Bein über sie schlagen, dann auf sie steigen, an ihr hinab gleiten, sie dann an den Fußgelenken packen und ihre Schenkel öffnen. Seine feuchten Lippen würden sich wieder an ihr hinauf und über ihren langgestreckten Hals tasten, um ihre erwartungsvoll geöffneten Lippen zu suchen, sie würde heftig atmen, stöhnen, schreien vor Lust, wenn …
Das Orange ist riesengroß, das Lisa ins Bewusstsein knallt. Im Reflex krallen sich ihre Finger um die Bremshebel an ihrem Lenker, und dann sind es auch schon mehrere Geräusche gleichzeitig, die ihren Herzschlag in Panik hinauf bis zum Hals treiben. Eine Mischung aus Kreischen von Fahrradreifen und Lastwagenbremsen, eine Hupe, als würde ein Ozeanriese neben ihr das Ende der Welt verkünden. Lisa sieht den hohen Randstein auf sich zuschießen. Bremsen und lenken gleichzeitig, und den riesigen Beton-Mischer-LKW in seiner Signalfarbe unmittelbar neben ihr. Sie weiß nicht, was sie jetzt mehr im Auge behalten muss – die Straße vor sich oder das stählerne Ungetüm neben sich, das sie platt zu fahren droht, hier in dieser Kurve von der Katzbach- in die Yorckstraße. Hat denn der keine Augen im Kopf, dieser Vollidiot ? Ihre schwer bepackte Tasche schwingt im Bremsvorgang nach vorn, die Last zieht an ihrem Oberkörper, sie wird doch nicht kopfüber …?
Der Randstein schießt ihr bedrohlich entgegen, Lisas linker Slipper schleift über den Asphalt, so dass sich ihr eine ganz andere Hitze sehr unangenehm in die Fußsohle einbrennt. Unnachgiebig, wenn auch
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