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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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stieg der Teppich wieder steil in die Höhe — da wehte ihnen der Rauch eines Schornsteins in die Augen und nahm ihnen für Sekunden die Sicht. Sie sahen die Flüchtenden zwischen den Flügelenden einer Windmühle hindurchschießen — dann versuchte Rao sie abzuschütteln, indem er dem gewundenen Lauf des Flusses Gurguntua folgte.
    »Durch die Stadt — durch die Stadt!« riet ihm der Gibbon. »So tief wie möglich durch die Straßen, so daß wir nicht zu sehen sind, Haken schlagen. Um die Kurven — bis sie uns aus den Augen verloren haben!«
    Da schossen sie hintereinander her zwischen den Hauswänden, zerschellten fast an Fassaden, umkreisten den Marktplatz, hüpften über Dächer und Schornsteine — und dem Sultan gelang es durch geschicktes Kurvenschneiden, sich Zentimeter um Zentimeter an Rao und den Gibbon heranzuschieben. Fast konnten sie schon die Fransen ihres Teppichs greifen, schon fragte der Sultan Löwe: »Ja, aber was sollen wir denn machen, wenn wir sie erreicht haben? Das ist nämlich fast das gleiche, als ob sie uns erwischt hätten! Sollen etwa wir mit ihnen in der Luft einen Ringkampf veranstalten?«
    Es kam ganz anders. Mit einem Satz hüpfte Raos Teppich über den letzten Hausgiebel. Vor ihnen lag das freie Feld, lagen Büsche, Blumen, Wälder. Dahinter schimmerte das Meer.
    »Los«, rief Löwe dem Sultan zu, denn Teppich schwebte jetzt dicht hinter Teppich, und der Sultan kniete kippelnd auf dem Rand und angelte mit ausgestrecktem Arm nach dem Ende des vorderen.
    »Patsch!« schlug ihm Rao mit dem Schwert auf die Hand. Glücklicherweise erreichte er sie nur mit der Flachseite. »Au!« schrie der Sultan.
    Und »Au!« riefen der Sultan und Löwe, denn, als ob plötzlich unter ihnen die Luft weggesogen würde, sank ihr Teppich zu Boden und lud sie auf dem breiten Schirm eines Pinienbaumes ab. Da hingen sie nun unglücklich und kopfüber zwischen den Ästen wie Stoffpuppen ohne Glieder.
    Das Kamel und der Elefant waren ihnen, durch die Straßen und über die Felder galoppierend, gefolgt. Schwer atmend langten sie bei ihnen an. »Habe ich es nicht immer gesagt, daß es lebensgefährlich ist, auf diesem Teppich zu fliegen? Ein Glück, daß ihr nicht so hoch wart und daß ihr in diesem Baum gelandet seid und nicht auf einem Felsen zerschellt!«
    »Helft uns lieber runter!« brummte der Sultan und zappelte mit den Beinen.
    Der Elefant ergriff sie beide mit dem Rüssel und setzte sie auf dem Rasen ab. Der Sultan rieb sich die schmerzenden Glieder, betrachtete das auf dem Boden liegende Häufchen Stoff, auf dem sie eben noch durch die Luft gesegelt waren und murmelte: »Merkwürdig... Was mag nur in diesen Teppich gefahren sein oder besser gesagt: aus ihm hinaus? Ist er verzaubert? Und wieso gibt es überhaupt zwei fliegende Teppiche hier? Daß mir das aber auch erst jetzt auffällt! Ich muß den Teppichweber Sassamar fragen.«

Der Kondor

    Das änderte nun aber nichts daran, daß Rao und der Gibbon ungehindert davonflogen. Sie erreichten immer größere Höhen. Sie waren bald nur noch so klein wie ein Spielzeug. Auf der Burg, aus allen Fenstern der Stadt erlebte man ihre Flucht voll Wut und Enttäuschung mit.
    Sollten sie wirklich ihrer gerechten Strafe entgehen?
    Schon flogen sie in ferner Wolkenhöhe über dem Meer, unter sich die weite, silberne Fläche, vor sich die Freiheit und neue Untaten.
    Über ihnen zog der Kondor seine ruhigen Kreise. Keines der Ereignisse auf der Erde war seinen scharfen Raubvogelaugen entgangen — nicht der Angriff auf Schloß Firifalo — nicht die Wendung des Geschehens — nicht, wie Professor Nomus das Fernrohr verließ.
    Da hatte auch der Kondor seine Krallen geöffnet, und der Beobachtungsspiegel war hinab ins Meer gestürzt, auf dessen Oberfläche er in tausend und aber tausend kleine Glassplitter zerschlagen wurde, die sich mit den gleichfarbig aufsprühenden Tropfen vermischten.
    Und nun hatte der Vogel wohl auch genügend lange nachgedacht. Mit einem heiseren Kreischen, das weithin hallte, stürzte er sich hinab, packte den Teppich im Flug und riß ihn unter Rao und dem Gibbon weg.
    Da fanden sie aneinander keinen Halt mehr. Von ferne glichen sie schwarzen Steinen, die senkrecht ins Wasser schossen und nie mehr gesehen wurden.
    Der Kondor aber trug den Teppich in seinen Fängen auf die Wiese, wo er ihn vor dem Sultan ablegte.
    Danken ließ er sich nicht. Hochmütig, als ob ihn dies alles nichts anginge, schwang er sich wieder in die Luft und war bald über

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