Gut gegen Nordwind
uns nicht zu erkennen. Ja?
Acht Minuten später
RE:
Ja, ja, ja, keine Angst, Herr Sprachprofessor, ich werde Ihnen schon nicht zu nahe treten. Um für keine weiteren Verwirrungen zu sorgen, schlage ich vor, dass wir bis Sonntag ein gegenseitiges E-Mail-Verbot verhängen. Erst danach schreiben wir uns wieder, einverstanden?
40 Sekunden später
AW:
Einverstanden.
30 Sekunden später
RE:
Was aber nicht heißt, dass Sie jetzt jede Nacht in der Plüschbar versumpfen müssen.
25 Sekunden später
AW:
Aber nein, das macht ja ohnehin nur Spaß, wenn mich Emmi Rothner allein für die Vorstellung, es könnte so sein, stündlich zur Rechenschaft zieht.
20 Sekunden später
RE:
Dann bin ich beruhigt. Also bis Sonntag!
30 Sekunden später
AW:
Bis Sonntag!
40 Sekunden später
RE:
Und Zähne putzen nicht vergessen!
25 Sekunden später
AW:
Emmi, Sie müssen immer das letzte Wort haben, stimmt’s?
35 Sekunden später
RE:
An sich schon. Aber wenn Sie jetzt noch einmal antworten, dann lasse ich es Ihnen.
40 Minuten später
AW:
Nachwort zum Pyjama. Ich schrieb: »Man muss ihn sehen und angreifen.« Sie antworteten, das wäre eine plumpe Anmache gewesen, hätte dies ein anderer als ich gesagt. Dagegen verwehre ich mich. Ich fordere, dass Sie mir in Hinkunft plumpe Anmachen als plumpe Anmachen anrechnen, wie jedem anderen auch. Lassen Sie mich so plump sein, wie ich bin. Im Konkreten: Meinen Pyjama sollten Sie wirklich angreifen, er fühlt sich sensationell an. Geben Sie mir eine Adresse, und ich schicke ihn Ihnen zur Anfühl-Probe. (Noch immer plump?) Gute Nacht!
Zwei Tage später
Betreff: Disziplin
Alle Achtung, Emmi, Sie sind diszipliniert! Bis übermorgen im Café Huber. Ihr Leo.
Drei Tage später
Kein Betreff
Hallo Leo, waren Sie dort?
Fünf Minuten später
AW:
Natürlich!
50 Sekunden später
RE:
Scheiße! Ich hab’s befürchtet.
30 Sekunden später
AW:
Was haben Sie befürchtet, Emmi?
Zwei Minuten später
RE:
Alle Männer, die in Frage kommen, Leo Leike gewesen zu sein, waren absolut indiskutabel, ich meine, rein optisch. Tut mir Leid, das klingt jetzt vielleicht brutal, aber ich sage es, wie es ist. Leo, ehrlich: Waren Sie gestern zwischen drei und fünf wirklich im Café Huber? Also nicht versteckt in der Toilette oder verschanzt im Gebäude vis-à-vis, sondern echt an der Bar oder im Kaffeeraum, sitzend oder stehend, hockend oder kniend, ganz egal?
Eine Minute später
AW:
Ja, Emmi, ich war tatsächlich anwesend. Welche Männer sind denn für Sie in Frage gekommen, Leo Leike gewesen zu sein, wenn ich fragen darf?
Zwölf Minuten später
RE:
Lieber Leo, es graut mir, diesbezüglich ins Detail zu gehen. Sagen Sie mir nur bitte: Sie waren nicht zufällig der – äh, wie sag ich’s –, der mit naturbelassenem Vollkörper-Drahtbürstenhaar ausgestattete stämmige, eher kleingewachsene Herr im ehemals weißen T-Shirt, mit der um die Hüfte gebundenen violetten Skipullover-Attrappe, der am Eck der Bar einen Campari oder so etwas Rötliches getrunken hat? Ich meine, wenn Sie es waren, dann nur so viel: Geschmäcker sind eben verschieden. Es gibt sicher genügend Frauen, die so einen Typen rasend interessant und absolut attraktiv finden. Und ich mache mir da überhaupt keine Sorgen, dass auch irgendwann einmal eine Frau fürs Leben dabei sein wird. Aber ich muss gestehen: Mein Fall wären Sie dann offen gesagt eher nicht so ganz, tut mir Leid.
18 Minuten später
AW:
Liebe Emmi, Ihre entwaffnende und sich selbst entlarvende Offenheit in Ehren: Aber »nicht verletzend« zu sein, zählt nicht zu Ihren Stärken. Für Sie hat das Aussehen offenbar wirklich höchste Priorität. Sie tun gerade so, als würde Ihr Liebesleben der nächsten Jahrzehnte davon abhängen, wie körperlich anziehend Ihr E-Mail-Freund auf Sie wirkt. Ich kann Sie fürs Erste übrigens beruhigen: das nach Frischfleisch Ausschau haltende Zottelmonster an der Theke ist nicht identisch mit meiner Person. Aber schildern Sie ruhig weiter: Wer darf ich noch nicht gewesen sein? Und daran anschließend gleich die Zusatzfrage: Wenn ich einer von denen bin, die für Sie »optisch indiskutabel« waren, ist dann unser E-Mail-Verkehr beendet?
13 Minuten später
RE:
Lieber Leo, nein, natürlich mailen wir ungehemmt weiter. Sie kennen mich ja: Ich übertreibe maßlos. Ich steigere mich geradein etwas hinein und will dabei nicht gestört werden. Ich
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