Gut gegen Nordwind
langweilig. Völlig uninteressant. Einfach nur: Wäääääääääääää!
Drei Minuten später
AW:
Wirklich? Das klingt ja echt brutal. Da kann ich nur froh sein, dass ich nicht in der Haut dieses Mannes stecke. Und dass ich auch nicht in seinem Kellnergewand gesteckt habe. Kurzum: Ich war nicht er, ich bin nicht er, und ich werde wohl auch niemals er sein. Ich war übrigens auch sonst kein Kellner. Ich war auch kein Zustelldienst oder Küchengehilfe. Ich war kein Polizist in Uniform. Ich war auch nicht die Klofrau. Ich war der ganz normale Leo Leike, Gast im Kaffeehaus Huber am Sonntag zwischen drei und fünf. Schade um Ihren Schlaf, liebe Emmi »Aussehen über alles« Rothner. Schade um Ihren verschwendeten Albtraum!
Zwei Minuten später
RE:
Leo, danke!!!!!! Jetzt brauche ich einen Whiskey.
15 Minuten später
AW:
Ich schlage vor: Reden wir besser von Ihnen, damit sich Ihre Nerven beruhigen. Ich schicke vorweg, dass mir das Äußere einer Frau, selbst wenn es mir noch so wichtig ist, offenbar nicht annähernd so wichtig sein kann wie Ihnen das Äußere eines Mannes. Dementsprechend entspannt durfte ich feststellen, dass sich zum gegebenen Zeitpunkt im Lokal auffallend viele interessante Frauen befanden, die es Wert gewesen wären, Emmi Rothner zu sein.
(Ich muss kurz unterbrechen, wir haben eine Konferenz, nebenberuflich arbeite ich nämlich. Das werde ich mir aber bald nicht mehr leisten können.) Ich melde mich in etwa zwei Stunden und setze dann fort, wenn es recht ist. Sie sollten übrigens langsam die Whiskeyflasche zur Seite stellen ...
Zehn Minuten später
RE:
1.) Ich fasse es noch immer nicht, dass einer, der beim Schreiben so eine Nähe aufbauen kann, dass er sogar fähig ist, Emmi in ihren intimsten Haltungen (beim Whiskeytrinken) aufzuspüren, ich fasse es nicht, dass einer, der so schreibt, gleichzeitig so aussieht wie einer von denen, die ich mit eigenen Augen im Café Huber gesehen habe! Deshalb frage ich Sie noch einmal, lieber Leo: Kann es nicht sein, dass ich Sie einfach übersehen habe? Bitte sagen Sie ja! Ich will nicht, dass Sie ein Mann aus einer der von mir gestern erwähnten Männerkategorien sind. Es wäre so schade um Sie!
2.) Vielleicht waren gar nicht so viele »auffallend interessante Frauen« im Lokal. Vielleicht interessiert sich nur Mister Leike auffallend für (auffallend viele) Frauen.
3.) Trotzdem würde ich gerne mit Ihnen tauschen. Sie können sich aus einem »auffallend interessanten« Angebot die Emmi Rothner Ihrer Lust, Laune und Fantasiekraft wählen. Währendich mich mit einem Leo Leike abfinden muss, den ich im absolut besten Falle übersehen habe, was ja auch nicht gerade ein Qualitätsmerkmal darstellt.
4.) Offensichtlich haben Sie keine Ahnung, wer ich bin. So, jetzt dürfen Sie wieder, Leo!
Zwei Stunden später
AW:
Danke Emmi, endlich wieder ein Rothner’sches Punkteprogramm. Darf ich gleich zu Punkt 4.) schreiten? – Sie irren, wenn Sie meinen, dass ich keine Ahnung habe, wer Sie sind. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht genau weiß, wer Sie sind. Es gibt exakt drei Möglichkeiten. Ich bin überzeugt davon, dass Sie eine der drei Frauen sind. Ist es Ihnen recht, wenn ich bei der Nummerierung der Typologie Buchstaben statt Zahlen verwende, damit das Ganze nicht nach einer Siegerehrung mit Podestplätzen aussieht? – Das sind also meine Rothner-Kandidatinnen: A.) Der Prototyp, Ur-Emmi. Stand an der Bar, vierte von links. Etwa 1,65 groß, zierlich, kurze dunkle Haare. Knapp unter 40. Hektisch, nervös, schnelle Motorik, drehte ständig an ihrem Whiskeyglas (!!), Kopf erhaben, Blick von oben herab nach unten gerichtet. (Mit würdevoller Arroganz überspielte leichte Unsicherheit.) Hose, Jacke: modisch flippig. Witzige Filzhandtasche. Grüne Schuhe, die so aussahen, als wären sie aus einer persönlichen Auswahl von 100 Paaren als Sieger des Sonntagnachmittags hervorgegangen. (Schuhgröße etwa 37!!!) Beobachtete Männer so, wie man Männer beobachtet, die das nicht merken dürfen. Gesichtszüge: fein, ein bisschen unlocker. Gesicht: schön. Typ: burschikos, speedig, temperamentvoll. Also eine echte Emmi Rothner.
B.) Die Gegenprobe, Blond-Emmi. Wechselte dreimal den Platz, saß zuerst vorne rechts, dann ganz hinten, dann in der Mitte, zuletzt noch kurz an der Bar. Sehr souverän, etwas langsamer in den Bewegungen (als die Ur-Emmi). Blonde, strähnige Haare,gestylt auf 80er Jahre. Alter um die 35. Getränk: zunächst
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