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Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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verstanden. Und es ist bis heute nicht zu verstehen. Emmi, Sie wissen, dass Mia große Stücke auf Sie hält, dass sie Sie bewundert, ja, und auch beneidet. Sollte das mein Interesse an Ihnen noch steigern? Wenn ja, dann wozu? Soll ich wissen, wie perfekt und idyllisch Sie ein Familienleben führen können? Wozu? Was hat das mit unseren E-Mails zu tun? Hindert es den Nordwind, bei Ihrem Fenster hineinzublasen, sodass Sie nicht einschlafen können?
    Und Mia: Sie kennt sich bei Ihnen überhaupt nicht mehr aus. Sie hat nur eines gespürt, von Anfang an: Ich war tabu für sie.
    Ich trug eine Tafel um den Hals mit der Aufschrift: »Gehört Emmi! Berühren verboten!« Mia fühlte sich darauf reduziert, mich auszuhorchen. Sie sollte Ihnen detailreich von mir erzählen, sie sollte Ihnen die andere Ebene von mir servieren, die, die Sie nicht kennen, die physische, damit Sie ein rundes Bild von mir haben.
    Nun gut, Emmi, Mia und ich waren nicht bereit, unseren uns zugedachten Rollen gerecht zu werden. Wir waren entschlossen, Ihnen Ihr seltsames Spiel zu vermasseln. Ja, wir waren trotzig, wir haben uns zwar nicht ineinander verliebt, aber wir haben miteinander geschlafen. Es hat uns gut getan, es hat Spaß gemacht, wir sind uns nichts schuldig geblieben. Es ging ganz ohne Herzklopfen, ohne große Begierde, ohne tiefe Leidenschaft. Uns beiden reichte, es Ihnen zu Fleiß zu machen. Es war die einfachste und ehrlichste Sache der Welt. Wir waren ehrlich sauer auf Sie! So machten wir uns unser eigenes Spiel im Spiel. Ja, eine Nacht funktionierte das, eine zweite nicht mehr. Man kann auf Dauer nur »miteinander« schlafen, nicht gegen einen gemeinsamen Dritten. Und es war klar, dass sich zwischen Mia und mir nichts aufbauen würde. Aber wir trafen uns weiter gern, es war nett miteinander zu plaudern, ja, wir mochten uns (und mögen uns) und es gefiel uns, Sie dabei auf Distanz zu halten, Emmi. Als kleine Strafe für Ihre Überheblichkeit.
    Das war die Geschichte. Ich bin gespannt, ob Sie sie verstehen – und wie Sie sie verdauen, meine liebe E-Mail-Partnerin. Es ist unterdessen Nacht geworden. Vollmond, wie ich sehe. Und der Nordwind ist abgeflaut. Sie können den Kopf beim Fenster lassen. Gute Nacht!
     
    Zwei Tage später

Kein Betreff
    Liebe Emmi, man kommt sich ziemlich jämmerlich vor, wenn man zwei Tage so in der Luft hängt, wie ich in der Luft hänge, weil Sie mich in der Luft hängen lassen. Ich lade Sie deshalb höflich ein, mir zu antworten. Holen Sie mich ruhig unsanft aufden Boden, aber lassen Sie mich nicht in der Luft. Hochachtungsvoll, Ihr Leo.
     
    Am nächsten Tag
    Betreff: Verdauung
    Hallo Leo, Jonas hat sich beim Volleyball den Arm ausgekegelt. Wir waren zwei Nächte im Spital. Das nur als kleiner Vorgeschmack zur Familienidylle.
    Jetzt zur Verdauung. Ich habe Ihre E-Mail mehrmals zu verdauen versucht, aber sie ist mir leider immer wieder hochgekommen. Jetzt ist es nur noch ein geschmacksneutraler Brei. Sie fragen, ob Sie von Mia erfahren sollten, wie perfekt und idyllisch ich ein Familienleben führen kann? Lieber Leo, da unterliegen Sie und Mia einem großen Irrtum. Mein Familienleben ist gut, aber keineswegs perfekt. »Familienleben« als solches hat mit Perfektion nichts zu tun, sondern mit Ausdauer, Geduld, Nachsicht und ausgekegelten Armen von Kindern. Darf ich hier ausnahmsweise auf meine langjährige Erfahrung verweisen, die ich – tut mir Leid – sowohl Mia als auch Ihnen abspreche? »Familienidylle« ist ein Oxymoron, ein Begriffspaar, das einander ausschließt: entweder Familie oder Idylle.
    So, und jetzt noch ein paar Worte zu Ihrem »Spiel im Spiel«. Sie sind also mit Mia ins Bett gegangen, weil Sie beide sauer auf mich waren? – So etwas Kindisches habe ich schon lange nicht gehört. Leo, Leo! Das gibt Punkteabzüge.

KAPITEL SIEBEN

Zwei Tage später
    Betreff: Aufräumen
    Hallo Emmi. Wie geht es Ihnen? Mir geht es nicht aufregend gut. Ich bin auch nicht gerade mächtig stolz auf mich. Ich hätte Mia nicht kennen lernen dürfen. Ich hätte wissen müssen, dass mich das in absurder Weise fester an Sie bindet, Emmi. Ich habe Ihnen den Vorwurf gemacht, dass das Ihr Ziel war. Das nehme ich zur Hälfte zurück. Ich glaube, es war unser beider Ziel. Wir haben nur bis heute nicht gewagt, es uns einzugestehen. Mia war eine Verbindungsperson zwischen uns. Sie haben sie auf mich angesetzt. Und ich habe mich mit ihr dafür revanchiert. Es war nicht unfair ihr gegenüber. Mias gesteigertes Interesse an mir

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