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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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schon sehr auf das nächste Jahr. Dann machen wir einen Weihnachtsbaum. Wieso machen wir einen Weihnachtsbaum? Na dann ist das Kind im Haus. Das Kind braucht doch einen Baum. Die Gorgonzolarahmsoße hat im Grunde recht gut geschmeckt. Mein Vater hatte sich gerade das Rauchen abgewöhnt, weil er in Rente ging und gelesen hatte, daß man leicht einen Herzinfarkt kriegen kann, wenn man in Rente geht, er hat den ganzen Abend Kürbiskerne mit den Zähnen geknackt und gekaut und von der Gorgonzolarahmsoße gesagt, daß sie Cholesterin enthält. Wenn nicht der Käse, dann jedenfalls der Rahm. Und nicht zu knapp. Leute, die sich das Rauchen gerade abgewöhnen, sind meistens schlecht gelaunt. Wenn dann noch Weihnachten ist, wird die Stimmung leicht grimmig und neigt dazu, umzukippen. Meine Mutter hat gesagt, das kann ja fröhlich werden, wenn ich dich jetzt den ganzen Tag hier im Wohnzimmer sitzen habe mitsamt deinem Cholesterin und den Kürbiskernschalen, ich glaube, ich lasse mich scheiden, aber mein Vater hat gesagt, du hast demnächst doch das Kind. Ich habe gesagt, welches Kind. Dann haben wir alle die Geschenke ausgetauscht, meine Mutter hat gesagt, daß es schwer ist, sich überhaupt noch etwas zu schenken, sie sagt das jedes Jahr, am besten, man schenkt sich Geld, und jeder kauft sich etwas, was er mag, weil man sonst den Geschmack treffen muß und jeder alles schon hat. Meine Mutter hat mir zwölf weiße Baumwollhemdchen und zwölf weiße Baumwolljäckchen und sechs bunte Strampelanzüge aus Frottee geschenkt, Ali ein Buch über Säuglingsvorsorge und Bea einen Band Alice Miller, weil sie entdeckt hatte, daß die Eltern dran schuld sind, wenn es im Leben nachher nicht klappt. Sie war etwas spät dran mit der Entdeckung, weil sie gerade aus der Mode kam, aber das lag vielleicht an Paris. Mein Vater zweihundert Mark in einem verschlossenen Briefumschlag.
    Dann haben wir über ziemlich vieles nicht gesprochen, weil es zu schwierig wird mit all den verschiedenen Sprachen aus verschiedenen Zeiten und Wirklichkeiten. Mein Vater hat gesagt, er denkt drüber nach, eine Wohnung im Süden zu kaufen, aber meine Mutter hat gesagt, mit dem Geld soll man lieber aufs Altersheim sparen, und Bea hat gesagt, jetzt hört aber auf, ihr beide, womit sie die Mutter meinte. Mein Vater hat natürlich nicht aufgehört, sondern gesagt, daß ich hier sitze und spare aufs Altersheim, und in der Zeit riecht der Süden nach Süden. So weit wird’s kommen. Später haben wir das Geschirr rausgetragen, und ich habe zu meiner Mutter gesagt, komm, ich helf dir den Abwasch machen. Meine Mutter hat gelacht und gesagt, ach du Dummchen, ich hab doch die Abwaschmaschine, und plötzlich habe ich angefangen zu heulen und bin ins Badezimmer gegangen. Im Badezimmer habe ich weitergeheult. Ich habe gedacht, jetzt bist du vollends verblödet, hör auf mit der Heulerei und der Heuchelei. Das Abwaschmachen mit meiner Mutter war genau das, was ich schon immer verabscheut hatte, alle drei Tage warst du dran, das Kopfrechnenmüssen und Ausgefragtwerden nach Heimlichkeit, alle drei Tage und später sogar alle zwei, das Vokabelabhören, das Lebensgespräch. Besonders die Lebensgespräche, habe ich mir gesagt, waren die reinste Pein, eine peinliche Quälerei, sie sind keine Lebensgespräche gewesen, sondern Lebensvernichtungsgespräche, weil meine Mutter immer nach allem gefragt hat, wie es war und was du gemacht hattest, und wenn du es ihr erzählt hast, ist sie erschrocken und sehr bekümmert gewesen, weil es niemals das Richtige war, was du gemacht hattest, und sie hat gesagt, was mußt du dich auch mit der Nele abgeben, kümmer dich nicht um die Nele, oder, du mußt dir abgewöhnen, so vorlaut zu sein. Sie hat dir lauter Dumußtnichts gegeben, um dich vor allem zu schützen. Vor allem, was du tust. Vor den Irrtümern und vor dem Leben. Alles, was du gemacht hast, ist ein einziger Lebensirrtum gewesen, vor dem du geschützt werden mußtest. Bea hat einmal gesagt, wie machst du es mit ihr und dem Abwaschgespräch, und ich habe gesagt, ausspucken. Alles radikal ausspucken. Auskotzen, habe ich gesagt, jeden winzigen guten Rat, würgen und spucken und kotzen, und Bea hat gesagt, gar nicht erst runterschlucken, dann brauchst du nachher nicht zu kotzen. Gar nicht erst ausnehmen lassen, habe ich gesagt, Maul halten. Am besten, einfach nichts sagen. Noch besser, von vornherein lügen, hat Bea gesagt. Aber das ist schon lange her gewesen, und jetzt saß ich auf dem Klodeckel

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