Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen
ließ sie noch weiter absterben. Voller Groll dachte er an Meister Langohr. Der soll noch einmal vorbei kommen! Keinen seiner Äpfel würde er ihm schenken – wenn er irgendwann einmal welche tragen würde.
Während er so überlegte, wuchsen seine Knospen. Sie wurden groß und dick. Bald schon platzten sie auf und entließen die grünen Blätter ins Tageslicht. Doch was war das? Vor lauter Freude hätte der kleine Apfelbaum am liebsten einen Sprung gemacht. Da er aber fest in der Erde verwurzelt war, schrie er sein Glück in die Welt:
„Hagebutte, Ahorn, seht! Ich blühe, ich blühe!“.
Vor lauter Begeisterung überschlug sich seine Stimme. Die beiden alten Pflanzen lächelten.
„Pass nur auf, dass du dich nicht übernimmst“, schmunzelte der Hagebuttenstrauch. „Nicht, dass du dir einen deiner kleinen Zweige abbrichst.“
„Ach, Hagebutte, lass ihm doch seine Freude. Du hast zwar Recht, aber er wird es schon rechtzeitig merken“, raunte der Ahornbaum dem Strauch zu.
Das Bäumchen war nicht zu bremsen.
„Fünf Äpfel werde ich haben. Groß und süß sollen sie werden. Und ich werde sie alle Schnuffel schenken.“
Er war dem Igel noch immer sehr dankbar für die Hilfe, die er schon zweimal geleistet hatte. Ahorn und Hagebutte warteten, bis er sich beruhigt hatte.
„Es stimmt, was die Hagebutte sagt. Du musst erst einmal abwarten“, mischte sich der Ahorn ein. „Schließlich bist du noch sehr klein und die Äpfel können schwer werden. Außerdem könnten wieder so ein trockener Sommer oder eine Blattlausplage kommen. Dann kannst du froh sein, wenn überhaupt ein Apfel reif wird. Übrigens, bevor die Äpfel wachsen können, müssen die Blüten erst befruchtet werden!“.
„Wie, was befruchtet?“ Der kleine Apfelbaum war verblüfft.
Amüsiert antwortete ihm die Hagebutte.
„Hast du noch nie die Bienen, Hummeln und Schmetterlinge gesehen, die mich jedes Jahr zur Blütezeit besuchen? Ohne sie würden nur wenige Früchte wachsen. Der Wind bringt bei uns nicht viel. Nur bei einigen Pflanzenarten wie Gräsern und Nadelbäumen ist er allein zuständig. Weißt du was? Ich werde Summchen, der Biene, Bescheid sagen, wenn sie meine Blüten bestäubt! Dann kommt sie bestimmt auch zu dir.“
Die Blüten waren wirklich hübsch. Weiß und rosa wuchsen sie an den Ästen, und der kleine Apfelbaum war sehr stolz darauf. Seine beiden Freunde bewunderten sie. Beim Ahornbaum kam sogar ein wenig Neid auf. Seine Blüten sind nämlich unscheinbar und kaum jemand sieht sie an. Kaum waren sie geöffnet, stellten sich schon die ersten Insekten ein. Brumbrum, die Hummel, war der erste Gast.
„Hm, schmeckt das gut!“, raunte sie und leckte sich ihren Rüssel. Dabei bewegte sie sich in der Blüte. Der feine, gelbe Blütenstaub hielt sich in ihrem Pelz fest. Und als sie die nächste Blüte besuchte, streifte Brumbrum das klebrige Pulver unbemerkt wieder ab. Freudig ließ es der kleine Apfelbaum geschehen.
„Vielen Dank, dass du meine Blüten befruchtest hast.“, sagte er.
„Wieso befruchtet?“, fragte Brumbrum etwas irritiert. „Ich bin an deinem süßen Nektar interessiert. Und den Blütenstaub nehme ich auch gerne mit. Der ist für meine Kinder. Ich habe also dir zu danken. Tschüss bis zum nächsten Mal“. Mit diesen Worten erhob sie sich schwerfällig in die Luft und flog laut brummend davon.
Es kamen noch viele andere Tiere, auch Summchen. Allen gab der kleine Apfelbaum von seinem Nektar und dem Blütenstaub ab. Die Tiere wurden satt und fütterten ihre Kinder. Und das Bäumchen war froh, dass es nun Äpfel bekommen konnte. So hatte jeder etwas davon und war zufrieden. Das hat die Natur gut eingerichtet. Stimmt’s?
11. Eine große Enttäuschung
Die letzten Insekten summten noch um den kleinen Apfelbaum, als seine Blüten bereits verwelkten. Die weiß-rosa Blütenblätter fielen nach und nach aus. Zurück blieb ein Stiel mit einer kleinen Kugel. Vier von diesen Knubbeln wuchsen und wurden immer dicker. Der kleine Apfelbaum bemühte sich nach Kräften. Er versorgte sie mit seinem Saft und hoffte, dass seine ersten Früchte besonders groß und süß würden.
Der Frühling ging ins Land, und die Äpfel wurden größer. Doch als der Sommer kam, wuchsen sie immer langsamer. Der kleine Baum strengte sich mächtig an. Bald schon merkte er, dass seine Bemühungen umsonst waren. Seine Äpfel wurden nicht mehr größer. Sie waren nur wenig dicker als ein großes Hühnerei. Darüber war er sehr traurig.
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