Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen
Wie hatte er sich doch auf die riesigen, schmackhaften Früchte gefreut, die er den Kindern und Schnuffel schenken wollte. Die Hagebutte tröstete ihn.
“Mach dir nichts daraus. Du hast dein Bestes versucht. Dass es nicht geklappt hat, ist leicht zu erklären. Du bist aus einem Kern gewachsen wie jeder andere Baum auch. Die Obstbäume jedoch, die in den Gärten stehen, wurden in einer Gärtnerei besonders gezüchtet. Bei dir hat das niemand getan. Deshalb bist du ein Wildapfel. Es ist also nicht deine Schuld.”
Diese Worte beruhigten den kleinen Apfelbaum etwas. Doch so richtig glücklich war er natürlich nicht. Einige Tage später liefen jedoch einige Kinder durch den Feldrain.
“Oh seht nur! Dort steht ein Bäumchen, das schöne rote Äpfel trägt.”, rief ein Mädchen. Es rannte hin und pflückte sich eine der Früchte. Die Freude, die der kleine Äpfelbaum empfand, war nur von kurzer Dauer. Nachdem das Mädchen hineingebissen hatte, verzog es das Gesicht und rief:
“Igitt ist der sauer!”. Unter dem Gelächter der Anderen ließ sie den Apfel einfach fallen und ging mit ihnen fort. Dem kleinen Baum war zum Heulen zumute. Doch weil Pflanzen nicht weinen können, sah man nur, dass die Blätter nach unten hingen.
Beim Einbruch der Dunkelheit kam die Wende. Schnuffel, der sich auf Nahrungssuche begeben hatte, kam hinter dem Hagebuttenstrauch zum Vorschein. Er sah den angebissenen Apfel und lief schnell hin.
“Lass ihn ruhig liegen”, schluchzte der Apfelbaum. “Er ist sehr sauer, obwohl ich mir so große Mühe gegeben habe.”
Der Igel lächelte den Baum an.
“Das ist ja großartig!”, jubelte er.
Der kleine Apfelbaum verstand überhaupt nichts mehr.
“Wieso ist das großartig? Die Kinder fanden es so schlimm, dass sie meine Frucht weggeworfen haben.”
“Ach diese Menschen”, erwiderte der Igel. “Wildfrüchte sind nun einmal sauer, aber mir schmecken sie unglaublich gut. Und dass ich mich freue, hat einen einfachen Grund: Wenn deine Äpfel den Kindern geschmeckt hätten, wäre keiner mehr für mich übrig geblieben. Die Menschen hätten sie alle gepflückt.”
Da war der kleine Apfelbaum wieder fröhlich. Er hatte dem Igel ja versprochen, seine ersten Äpfel für ihn aufzuheben. Was wäre denn aus seinem Versprechen geworden, wenn sie den Kindern geschmeckt hätten.
Es dauerte nicht lange und Schnuffel hatte den Apfel verspeist. Er leckte sich sein Mäulchen und sagte:
“Wenn die anderen Früchte so reif sind, dass du sie abwerfen kannst, komme ich wieder.”
“Ja”, freute sich der kleine Baum. “Und ich werde mich inzwischen bemühen, sie noch etwas süßer zu machen.”
So froh wie lange nicht mehr sah er an diesem Abend die Sonne untergehen.
12. Die erste Ernte
Dem Igel Schnuffel hatte also der erste Apfel geschmeckt, obwohl er noch gar nicht richtig reif und deshalb besonders sauer war. Das gab dem kleinen Apfelbaum wieder neue Kraft. Er strengte sich an und die Sonne tat ihr Übriges.
“Hey”, rief die Wurzel. “Du kannst doch nicht den ganzen schönen Saft in die Früchte stecken. Vergiss nicht, dass wir beide auch wachsen müssen.”
“Ich möchte die Äpfel aber besonders süß machen”, antwortete trotzig der kleine Apfelbaum. “Sie sollen den Tieren und auch den Menschen schmecken.”
“Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wozu die Früchte überhaupt da sind?”, gab die Wurzel verärgert zurück. “Die Früchte dienen nur dazu, unsere Samen zu verbreiten. Mehr nicht. Also stecke nicht zu viel Kraft hinein. Die Tiere fressen sie auch so und die Menschen haben ohnehin ihre Gartenäpfel. Und jetzt schicke mir noch mehr Saft hinunter. Du wirst schließlich größer. Deshalb werden die Herbststürme dich auch kräftiger schütteln. Wenn ich dann nicht stark genug bin, dich in der Erde zu halten, wirst du umkippen. Und dann kannst du nie wieder Äpfel bekommen.”
Das verstand der kleine Apfelbaum und schickte der Wurzel eine Extraportion Saft. Trotzdem achtete er darauf, dass die Äpfel nicht zu kurz kamen. Die Äpfel reiften und wurden süßer.
Auch wenn sie nicht so gut wie die Früchte aus den Gärten waren, so fanden sich doch weitere Interessenten. Bald schon flog eine Amsel regelmäßig zu dem kleinen Baum und kostete von den roten Früchten.
“Hallo Amsel”, sprach der kleine Baum sie an. “Schmeckt es dir?”
“Danke der Nachfrage”, antwortete sie und klopfte vor Begeisterung mit dem Schnabel auf den Ast, auf
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