Gute Nacht, mein Geliebter
warten?«
Annie zuckte mit den Schultern. Ihre Haare sahen ungepflegt aus, sie sollte etwas dagegen unternehmen.
»Wie sah er aus, wie hat er es gesagt?«
»Seine Birne sieht doch eigentlich immer aus wie ein Port-Salut-Käse!«
Berit nahm eine Büroklammer, die auf dem Schreibtisch lag, begann, sie zu verformen, an ihr zu ziehen, sie zu verbiegen.
»Ich habe Elisabet in der Mittagspause getroffen, du weißt schon, die Blonde, die bei Bonniers arbeitet.«
»Ach, die kleine Klatschtante.«
»Komm schon, sie ist in Ordnung. Aber sie stellte ein paar seltsame Fragen über Lüding, ob Curt vorhabe zu verkaufen.«
»Das hören wir ja nicht zum ersten Mal, ohne dass was daraus geworden wäre.«
»Stimmt. Aber was ist, wenn es jetzt so weit ist, warum sollte er denn sonst eine Personalversammlung einberufen?«
»Auch wieder wahr. Wir als Angestellte bei Bonniers?«
»Du vielleicht, du bist ja noch relativ jung. Aber ich werde dieses Jahr sechsundvierzig. Wer weiß, ob dieser vornehme Haufen eine sechsundvierzigjährige alte Schachtel übernehmen wird?«
Annie schwieg einen Moment.
»Aber wenn er verkauft, dann verkauft er uns doch im Grunde auch!«, platzte sie dann heraus. »Ich meine … Wir gehören doch sozusagen zur Verkaufsmasse. Ansonsten muss er uns doch irgendwie abfinden, irgendeine Form von Abfindung zahlen?«
»Ha! Hast du das in deinem Vertrag?«
»Nein.«
Die Büroklammer brach entzwei und piekste sie in den Daumen.
»Was meinen die anderen?«
»Das Gleiche wie wir, alle haben eine Scheißangst. Lotta bekam Bauchschmerzen und musste nach Hause fahren.«
Berit ging in die Küche und setzte eine Kanne Kaffee auf. Der Raum war schmutzig und unaufgeräumt wie immer, ungespülte Kaffeetassen und die leere Verpackung eines Fertiggerichts. Sie drückte den Pappkarton in den Papierkorb und fluchte.
»Ein beschissener Miststall ist das hier!«
»Es gibt Kaffee!«, rief sie anschließend einfach in den Flur hinaus, wütend, wie einen Befehl. Die anderen kamen, stumm und bekümmert.
Der Verlag hatte zwölf Angestellte, Curt Lüding eingerechnet. Sachbücher verkauften sich am besten. Vielleicht sollte man jetzt eher sagen, hatten sich am besten verkauft. Sie hatten eine belletristische Bestsellerautorin, Sonja Karlberg. Sie schrieb eine Art historischer Schinken, die in adligen Kreisen spielten, aber seltsamerweise vom Publikum angenommen wurden. Sie war eine zarte, zerbrechliche alte Dame, zumindest sah sie so aus. Annie, die ihre Lektorin war, bekam schon schlechte Laune, sobald Sonja Karlberg nur ihren Besuch ankündigte. Sie konnte wegen eines Satzfehlers rasend werden, einmal schmiss sie ein Buch direkt auf Annies Tastatur, so dass beides zu Bruch ging.
Schweigend setzten sie sich hin, schlürften aus ihren Kaffeetassen. Es begann zu dämmern, die Regentropfen glitzerten auf den Fensterscheiben. Berit betrachtete die Töpfe mit Grünpflanzen am Fenster. Niemand hatte sie getränkt, sie ließen die Köpfe hängen. Ihr zog sich der Magen zusammen, sie liebte das hier trotz allem, die bedrückten Gesichter um den Tisch, die Schlamperei, die Stapel von Manuskripten, den Stress und die Druckfahnen, all das, was ein Teil ihrer Arbeit war.
Nach dem Abitur hatte sie Sprachen studiert. Sie hatte keine Ahnung, was sie eigentlich werden wollte, und es war mehr oder weniger ein Zufall, der sie in die Verlagswelt geführt hatte. Eine winzige Anzeige eines winzigen Verlags, der eine Korrekturleserin suchte. Der Verlag hieß Strena, es gab ihn schon lange nicht mehr. Aber ein paar Jahre lang las Berit gut gehende Thriller Korrektur, während sie heiratete und ihre Kinder aufzog.
Auf einem Verlagsfest kam sie mit Curt Lüding ins Gespräch. Der Zufall wollte es, dass er sich mit seinem Verlag gerade in einer expansiven Phase befand, und er stellte sie augenblicklich ein, ohne formale Qualifikationen zu fordern. Aber so war es vielen in der Branche ergangen, das begriff sie mit der Zeit. Ein wohlwollender Zufall hatte ihnen den Weg gewiesen.
Berits Mann Tor war Wirtschaftsprüfer. Die ersten Jahre wohnten sie zusammengepfercht in seinem kleinen Einzimmerappartement in der Thulegata. Es war eine sehr schwere Zeit. Als die Jungen zwei und drei Jahre alt waren, konnte die Familie endlich in ein eigenes Haus in Ängby ziehen.
Mittlerweile waren die Jungen ausgeflogen.
Aus dem Nest.
Von Zeit zu Zeit erfüllte es Berit mit Trauer, sie nicht mehr bei sich zu haben. Sie waren jetzt erwachsene Männer und
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