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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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verloren für sie, für immer.
     
    Sie verließ den Verlag an diesem Tag schon um vier. Auf dem Heimweg kaufte sie zwei Scheiben Rinderfilet und eine Flasche schweren Rotwein. Tor war noch nicht heimgekommen, und sie deckte im Esszimmer, mit Kerzen und Stoffservietten.
    »Er wird glauben, es gäbe etwas zu feiern«, dachte sie grimmig.
    Als sie hörte, wie er in die Garage fuhr, gab sie Butter in die Bratpfanne und entkorkte den Wein.
    Jetzt öffnete er die Haustür und hängte seinen Mantel auf, sie hörte das Plumpsen seiner Schuhe, als er sie aufschnürte und gegen die Wand schob. Er stand in der Küche, sah abgekämpft aus.
    »Ich fand, wir sollten uns einmal etwas gönnen«, sagte sie.
    »Aha. Warum?«
    »Warum nicht?«
    »Ist etwas Besonderes? Hat einer Geburtstag oder so?«
    »Nicht dass ich wüsste, man wird doch wohl noch das Recht haben, sich an einem gewöhnlichen Donnerstagabend etwas zu gönnen, meinst du nicht?«
    »Tja.«
     
    Während des Abendessens schwiegen sie. Berit trank von dem Wein, der ihr sofort zu Kopf stieg und sie benebelte.
    »Was ist los mit dir?«, fragte er.
    »Was soll schon los sein mit mir?«
    »Du hast doch was, das sehe ich.«
    »Tor. Sag mir ehrlich, findest du mich begehrenswert?«
    »Berit!«
    »Nun sag doch. Bin ich das? Begehrst du mich, wirst du geil, wenn du mich ansiehst?«
    Er schob seinen Teller zur Seite.
    »Warum fängst du gerade jetzt davon an?«
    »Ich fange nichts an. Ich stelle dir eine klare Frage und will eine klare Antwort. Ist das so verdammt schwierig?«
    »Du bist doch meine Frau.«
    »Eben deshalb.«
    Sie stand auf und ging um den Tisch, stellte sich hinter ihn und nahm seinen Kopf. Er hatte eine kahle Stelle auf dem Scheitel bekommen, dort streichelte sie ihn, ließ dann die Hände abwärts gleiten, den Ärmeln seines Hemds folgen, zu seiner Mitte.
    »Berit«, sagte er. »Wir essen gerade!«
     
    Am Samstag nahm sie die U-Bahn nach Hässelby. Es war etwas Besonderes, U-Bahn an einem Tag zu fahren, der kein normaler Arbeitstag war. Ganz andere Fahrgäste, viele Kinder mit ihren Eltern, helle Wagen, andere Farben, andere Geräusche. Es fiel einem viel mehr auf, wie heruntergekommen und schmutzig alles aussah. Der Boden des Wagens war mit Dreck und einer ausgelaufenen Flüssigkeit beschmiert, mehrere Sitze waren schwarz bemalt worden.
    In der Nacht war Schnee gefallen, Schnee, der liegen blieb. Sie stieg an der Endhaltestelle aus, und die Erinnerungen kehrten zu ihr zurück, die Erinnerungen an ihre Jugendzeit. Als sie zur Bushaltestelle ging, fiel ihr auf, dass man vor der U-Bahnhalle umgebaut und alles freundlicher gestaltet hatte. Der Lebensmittelladen war verschwunden, stattdessen befand sich dort jetzt ein Supermarkt mit schreiend roten Sonderangebotsschildern.
    Sie hatte vorgehabt, zum Friedhof zu gehen, aber weil der Bus nun einmal dastand, fuhr sie die wenigen Haltestellen. Die Sonne glitzerte auf der Schneedecke, ließ ihre Augen tränen. Sie hätte eine Sonnenbrille mitnehmen sollen!
    Der Friedhof sah idyllisch aus, fast ländlich mit seinen schneebeschwerten Grabsteinen und den Blaumeisen, die in den Ästen hingen. Rechter Hand der kleinen Kapelle lag ein Haufen schneebedeckter Kränze. Der Freitag war ein typischer Beerdigungstag. Beide Eltern waren an Freitagen beerdigt worden, zuerst die Mutter, zwei Jahre später ihr Vater.
    Abgesehen von vereinzelten Autos, die oben auf dem Sandviksväg vorbeifuhren, war es hier still und friedvoll. Der Friedhof ist die Ruhestatt der Toten, so pflegte es am Eingang zu stehen, hier durfte man nicht stören und keinen Streit vom Zaun brechen. Davon hatten die Toten in ihrem Leben schon genug abbekommen. Nun hatten sie das Recht, in Ewigkeit zu ruhen.
    Sie war allein. Sie sah sich um, in einem der Mietshäuser an der Fyrspannsgata war die junge Tochter eines Arztes von einem Psychopathen gefangen gehalten worden. Das mochte jetzt wohl ein Jahr her sein. Sie erinnerte sich plötzlich an eine Reihe von Details. An einem dieser Fenster hatte das junge Mädchen gestanden und hinausgeschaut, gehofft, jemand würde sie sehen und auf sie aufmerksam werden. Aber wer wird schon aufmerksam, wenn ein Mädchen an einem Fenster steht? Nicht einmal, wenn sie geschrien und um Hilfe gerufen hätte, wäre sie beachtet worden.
    Wie war es diesem armen Mädchen seitdem ergangen? Den Zeitungsberichten zufolge war sie mit dem Leben davongekommen, aber was war mit ihrer Psyche? Die dürfte doch für immer Schaden genommen

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