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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Shradick griff nach dem Hörer und tippte eine Nummer ein. »Shradick hier. Yeah. Was gibt’s?«
    M. J. wandte ihre Aufmerksamkeit dem Stapel Papiere auf ihrem Schreibtisch zu. Da lagen die Formulare, die mit den Proben der Körperflüssigkeit der jüngsten Leiche zum staatlichen Labor geschickt werden mußten. Wenn sie die Sendung bis zum Posttermin um drei Uhr fertig haben wollte, mußte sie sich an die Arbeit machen. Sie begann die entsprechenden Kästchen auf den Formularen anzukreuzen: Gaschromatographie; HarnstoffClearance-Test; Immunanalyse. Sämtliche Labortests, die möglicherweise die Droge identifizieren konnten, die die Unbekannte getötet hatte.
    Beim Klang von Schritten sah sie auf. Beamis kam herein.
    »Tut mir leid, daß ich Sie einfach so habe stehenlassen«, sagte er. »Ging um eine persönliche Angelegenheit zwischen Mr. Quantrell und mir.«
    »Habe ich schon gehört.« M. J. füllte weiter die Formulare aus.
    Beamis kannte die Prozedur. »Sind das die Unterlagen für unsere Unbekannte?«
    »Der Kurier kommt gegen drei. Ich weiß, Sie wollen die Antworten schnell.« Sie trennte die Streifen von den Formularen, wickelte sie um die Test-Reagenzgläser und steckte alles zusammen in einen Laborumschlag. »Das hätten wir. Die Jagd kann beginnen.« Sie legte den Umschlag für den Kurier in den Korb für Ausgänge.
    »Dachte, Sie wollten ein paar Analysen hier durchführen.«
    »Das mache ich, wenn ich Lust habe. Zuerst muß ich noch ein paar Autopsieberichte fertigstellen. Die Gerichtstermine stehen an. Und mein Ex hat mir schon ein paar häßliche Sprüche per Telefon zukommen lassen.«
    Beamis lachte. »Sie und Ed sind noch immer auf dem Kriegspfad, was?«
    »Liebe ist vergänglich, Lou. Verachtung ist für die Ewigkeit.«
    »Schätze, Ihre Stimme kriegt er nicht bei der Wahl.«
    »Oh, eigentlich finde ich, daß Ed das richtige Temperament für einen Bezirksstaatsanwalt hat. Ein Dobermannpinscher ist nichts gegen ihn.« Sie trat an den Aktenschrank und begann nach Unterlagen zu kramen. »Außerdem haben sich Ed und der Bürgermeister gegenseitig verdient.«
    »Ach, verdammt!« schimpfte Shradick und warf den Hörer auf die Gabel. »Jetzt verpassen wir das Mittagessen.«
    »Was gibt’s?« wollte Beamis wissen.
    »Kam gerade ein Anruf. Sie haben schon wieder eine Leiche gefunden. Weiblich, keine Anzeichen äußerer Gewaltanwendung.«
    M. J. sah von ihrem Aktenfach auf. Shradick kritzelte bereits etwas in sein Notizbuch. »Wieder eine Überdosis?« fragte sie.
    »Sieht so aus. Und mein Magen knurrt schon.« Er schrieb weiter in seiner unbeteiligten Art.
Zu viele Leichen, zu viele Todesfälle, und das ist es, was sie aus uns machen,
dachte M. J.
Eine Leiche bedeutet uns nicht mehr als ein versäumtes Mittagessen.
    »Wo ist das Opfer?« fragte sie.
    »South Lexington.«
    »Welcher Teil von South Lexington?«
    Shradick klappte sein Notizbuch zu und sah auf. »Ist dieselbe Gegend, in der wir schon die andere gefunden haben«, antwortete er. »In den Projects.«
    Adam Quantrell ging hastig über die Straße, die Schultern gegen den Wind vornübergeneigt, die Hände tief in den Taschen seines Trenchcoats vergraben. Es war schon April, aber die Luft fühlte sich wie Januar an. Der Wind war schneidend, die Straßen wirkten kahl und grau. Die Leute trugen ihre Winterblässe wie Masken zur Schau.
    Er schloß seinen Volvo auf, glitt auf den Fahrersitz und zog die Tür zu.
    Dort saß er einen Moment, sicher verborgen hinter den getönten Scheiben, erleichtert, an einem Ort zu sein, wo niemand in seinem Gesicht lesen, niemand seine Gedanken erahnen konnte. Es war kalt im Wageninnern. Sein Atem kondensierte in der Luft. Aber die echte Kälte kam aus seinem Innern.
    Sie ist es nicht gewesen. Zumindest dafür sollte ich dankbar sein.
    Er ließ den Motor an und lenkte den Volvo in den Verkehr in der City Sein erster Impuls war, nach Surrey Heights und nach Hause zu fahren. Er spielte mit dem Gedanken, seine Sekretärin anzurufen und ihr mitzuteilen, daß er sich den Tag freinehmen würde. Er brauchte Zeit und Muße, um seine kühle Beherrschung wiederzufinden, die ihm abhanden gekommen war, kaum daß er die Stimme der Ärztin auf seinem Anrufbeantworter gehört hatte.
    Wie hieß sie doch gleich? Novak. Ja, das war der Name. Flüchtig fragte er sich, wie wohl der Vorname von Dr. Novak lauten mochte, überlegte, daß es ein schlichter Name ohne Schnörkel, so natürlich und unverblümt wie die Frau selbst sein mußte.

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