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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Vielleicht wollte sie keine Freunde. Oder hatte keine Freunde verdient. Vielleicht war sie ein Monster.«
    »Oder nur ein Opfer.«
    Er nahm ihren Arm. »Wir werden’s wohl nie erfahren. Also, gehen wir irgendwohin, wo’s warm und trocken ist.«
    »Ich muß wieder ins Büro zurück.«
    »Hör doch endlich auf, Angst vor mir zu haben.«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Wie kommst du darauf, daß ich vor irgendwas Angst haben könnte?«
    »Diese Flucht … Nicht, daß ich das nicht verstehe. Aber wende dich nicht von mir ab, nur weil ich vielleicht etwas tun könnte … oder nicht tun könnte. Verstecken ist sinnlos.«
    »Vor dir?« Sie lachte. »Ich muß mich vor niemandem …«
    Sie hielt inne, als sie aus den Augenwinkeln eine flüchtige Bewegung wahrnahm. Sie richtete den Blick auf zwei Gestalten, eine Frau und ein Kind, beide ganz in Schwarz gekleidet, die in einiger Entfernung neben einem Baum standen. Hinter dem grauen Schleier von Feuchtigkeit hatte die Szene etwas Unheimliches, fast Gespenstisches. Die beiden schienen in ihre Richtung zu sehen, ihre Gesichter ernst und unbewegt. Oder starrten sie auf Peggy Sue Barnetts Grab?
    Plötzlich merkte die Frau, daß M. J. sie entdeckt hatte. Sie packte umgehend die Hand des Kindes und ging mit ihm über den Rasen davon.
    »Warten Sie!« rief M. J.
    Die Frau lief schneller, zerrte das Kind hinter sich her.
    M. J. folgte ihnen. »Ich muß mit Ihnen reden!«
    Die Frau und das Kind rannten bereits auf einen parkenden Wagen zu. M. J. hastete über den letzten Rasenstreifen und erreichte den asphaltierten Weg, als die Frau die Autotür zuschlug.
    »Warten Sie!« keuchte M. J. und klopfte ans Fenster. »Haben Sie Peggy Sue Barnett gekannt?«
    Sie erhaschte einen Blick auf ein verängstigtes Frauengesicht, das sie durch die Glasscheibe anstarrte; dann schoß der Wagen davon. M. J. sprang zurück. Der Wagen machte eine scharfe Kehre, raste vom Parkplatz und in Richtung Friedhofstor davon.
    Schritte hallten über den Asphalt. »Was ist los, M. J.?«
    Wortlos drehte sich M. J. um und sprintete zu ihrem Wagen.
    »M. J.!« brüllte er. »Was zum Teufel …«
    »Steig ein!« herrschte sie ihn an und setzte sich ans Steuer.
    »Warum?«
    »Okay, dann steig nicht ein.«
    Er stieg ein. M. J. ließ den Motor an und drückte aufs Gaspedal. Sie schleuderten über den glitschigen Asphaltbelag des Parkplatzes und rasten durch das Friedhofstor auf die Straße.
    »Wir haben die Wahl«, sagte M. J., als sie die erste Kreuzung erreichten. »Ost oder West? Welche Richtung nehmen wir?«
    »Hm … Osten bedeutet zurück in die Stadt. Vermutlich hat sie diese Richtung eingeschlagen.«
    »Dann fahren wir nach Westen.«
    »Was?«
    »Nur so eine Eingebung. Vertrau mir.« M. J. fuhr in westliche Richtung weiter.
    Die Straße führte an einem Einkaufszentrum, einem Pizza Hut, einer Exxon-Tankstelle und einem Burger King vorbei – allesamt Grundsteine des Lebens in den namenlosen Städten Amerikas. An der ersten roten Ampel hielt M. J. hinter einer Schlange von Autos an. Die Windschutzscheibe war von einem Feuchtigkeitsfilm überzogen. Sie stellte die Scheibenwischer an.
    Einen Block weiter bog ein grüner Chevy aus dem Parkplatz eines Imbißrestaurants.
    »Da sind sie«, bemerkte M. J.
    Adam schüttelte verwundert den Kopf. »Du hattest recht.«
    »Oberste Fluchtregel lautet: Folge nie der direkten Linie. Siehst du? Sie fährt in nördliche Richtung. Ich wette, sie macht einen weiten Bogen … einen Umweg, um in die Stadt zurückzukommen.«
    Die Ampel schaltete auf Grün. M. J. bog in nördliche Richtung ab und folgte dem Chevy in diskretem Abstand, achtete darauf, daß stets zwei oder drei Wagen zwischen ihnen waren. Nach einer halben Meile bog der Chevy in Richtung Osten ab. Wie sie vorhergesagt hatte, bewegte er sich in einer weiten Schleife und auf Nebenstraßen in Richtung Stadt.
    »Bist du deshalb zur Beerdigung gegangen?« fragte Adam.
    »Genau wie die Polizei. Um zu beobachten, wer auftauchen würde, um ihr einen letzten Gruß zu erweisen. Ich habe vermutet, daß jemand aufkreuzen würde. Dieselbe anonyme Person nämlich, die in der Leichenhalle von Greenwood heimlich das Geld für den Sarg hinterlegt hat. Ich tippe auf die geheimnisvolle Lady im Chevy.«
    »Konntest du sie sehen?«
    »Nur flüchtig. Schätze sie auf Ende Zwanzig. Und das Kind ist ungefähr sechs.«
    Sie folgten dem Chevy nach Stanhope, einem Mittelklassevorort mit billigen Einfamilienhäusern auf handtuchgroßen Grundstücken

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