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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Schließlich war es erst halb acht. Sollte jemand anderer den Anruf entgegennehmen. Gelassen hängte sie ihren Mantel auf, legte die Handtasche in die oberste Schreibtischschublade, stellte die Kaffeemaschine für sechs Tassen an. Eine Kaffeeinfusion hatte sie an diesem Morgen dringend nötig. Sie hatte eine schlaflose Nacht in einem durchhängenden Motelbett hinter sich und fühlte sich so wach wie ein Grizzlybär im Januar – und fast ebenso gut gelaunt.
    Auf ihrem Schreibtisch war eine Zufallscollage aus zahllosen rosaroten Telefonnotizzetteln arrangiert. Es waren Anrufe von ihrem überforderten Versicherungsagenten, vom Staatsanwalt, von Verteidigern, von einer Leichenhalle. Und natürlich von Adam … fünf Anrufe, nach Anzahl der Zettel zu schließen. Auf dem letzten Zettel hatte der Nachtportier in seiner Verzweiflung notiert: »Rufen Sie den Kerl um Himmels willen endlich an!« M. J. zerknüllte sämtliche Notizzettel von Adam und warf sie in den Mülleimer.
    Das Telefon klingelte. Sie betrachtete es stirnrunzelnd, während es einmal, zweimal, dreimal schrillte. Resigniert griff sie schließlich nach dem Hörer. »M. J. Novak.«
    »M. J.! Ich versuchte dich seit einer Ewigkeit …«
    »Guten Morgen, Adam. Wie geht’s?«
    Am anderen Ende war es lange still. »Wir sollten uns unterhalten.«
    »Worüber?«
    »Darüber, warum du gegangen bist.«
    »Das ist ganz einfach.« Sie lehnte sich zurück und legte die Füße auf einen Stuhl. »Es war Zeit zu gehen. Du warst großartig zu mir, Adam. Wirklich. Aber ich wollte deine Gastfreundschaft nicht überstrapazieren. Außerdem muß ich schließlich wieder auf eigenen Beinen stehen. Deshalb …«
    »Deshalb bist du davongelaufen.«
    »Nein, ich bin gegangen.«
    »Du hast die Ohren angelegt und bist davongelaufen.« Sie richtete sich steif auf. »Und wovor, bitte schön, sollte ich davongelaufen sein?«
    »Vor mir. Vor der Chance, daß es mit uns gutgeht.«
    »Adam, ich sitze hier an meinem Schreibtisch. Die Arbeit wartet …«
    »Fällt es dir so verdammt schwer, was zu riskieren, M. J.? Für mich ist es auch nicht einfach. Wenn ich dir einen Schritt entgegenkomme, machst du einen Schritt zurück. Wenn ich das Falsche sage, dich nur schräg anschaue, ergreifst du die Flucht. Damit kann ich nicht umgehen.«
    »Dann laß es.«
    »Möchtest du das wirklich?«
    Sie seufzte. »Ich weiß nicht. Ehrlich. Ich weiß nicht, was ich will.«
    »Ich glaube schon, daß du’s weißt. Aber du hast zuviel Angst davor, der Stimme deines Herzens zu folgen.«
    »Woher zum Teufel willst du wissen, wie’s in meinem Herzen aussieht?«
    »Soll ich raten?«
    »Ist nicht wie bei Aschenputtel, okay?« brauste sie auf. »Die Mädels aus den Projects haben keine gute Fee, die sie aufmotzt.
    Und sie finden ihr Glück nicht in Surrey Heights, Isabel hat mir reinen Wein eingeschenkt, und ich weiß das zu schätzen. Ich wäre in eurem Country-Club-Zirkel verloren. Zu viele französische Ausdrücke. Sieh der Wahrheit ins Gesicht. Ich kann nicht skifahren. Ich kann nicht reiten. Ich kann keinen Burgunder von einem Beaujolais unterscheiden. Für mich ist alles nur Rotwein. Und ich sehe nicht, wie sich das ändern sollte. Sosehr du dich auch nach meinem Körper verzehren magst, nach einer Weile wird dir aufgehen, daß das nicht genügt. Dann steht dir der Sinn nach einem schickeren Angebot. Und ich will einfach nur ich selbst sein.«
    »Für einen Feigling habe ich dich bisher nicht gehalten.« Sie lachte. »Nur weiter so. Hack ruhig auf mir rum, wenn du dich dann besser fühlst.«
    »Du riskierst Kopf und Kragen für einen alten Wagen. Du marschierst ohne mit der Wimper zu zucken in feindliche Slums. Aber du bist zu feige, es mit mir zu riskieren!«
    »Du bist ein verdammt riskantes Glücksspiel, Quantrell.«
    »Du auch. Aber ich laufe nicht weg.«
    Sie lachte erneut. »Das kommt schon noch. Bei den ersten stürmischen Winden … widriger See … Ist keine Kunst für dich, mich zu verlassen.«
    »Du scheinst mich für einen großen Waschlappen zu halten.«
    »Du bist auch nur ein Mensch. Nett, aber menschlich. Und Menschen wählen immer den Weg des geringsten Widerstandes.«
    »Des geringsten Widerstandes?« Jetzt war er an der Reihe, laut zu lachen. »Wenn ich es mir leichtmachen wollte, würde diese Unterhaltung gar nicht stattfinden. Und ich würde dich nicht bitten, mit mir zu Mittag zu essen.«
    Sie zögerte. »Mittagessen?«
    »Du weißt schon: die Mahlzeit, die normalerweise um die Mittagszeit

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