Gute Nacht, Peggy Sue
entlang der Straße. Aus sicherer Entfernung beobachteten sie, wie der Chevy in eine Einfahrt bog. Die Frau stieg aus und half dem Kind aus dem Wagen. Gemeinsam stiegen sie die Treppe zur Veranda hinauf und gingen ins Haus. Das Haus ähnelte einem pinkfarbenen Karton und war von nicht zu überbietender Häßlichkeit, mit schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern und einer Fernsehantenne von der Größe eines Bohrturms auf dem Dach.
M. J. parkte den Wagen. Einen Moment blieben sie stumm sitzen und betrachteten das Haus. »Was hältst du davon?« fragte sie schließlich.
»Sieht fast so aus, als nähern wir uns einem Tier, das in der Falle sitzt. Vielleicht ist sie gefährlich. Warum benachrichtigen wir nicht einfach die Polizei?«
»Nein. Ich glaube, genau vor der Polizei hat sie Angst. Sonst hätte sie längst dort angerufen.«
Nach kurzem Nachdenken nickte er. »Also gut. Versuchen wir, mit ihr zu reden. Aber beim ersten Anzeichen von Gefahr verschwinden wir. Ist das klar?«
Sie stiegen aus. Übers Autodach hinweg sah sie ihn lächelnd an. »Absolut.«
Sie hörten den Ton des Fernsehers schon von weitem. Es handelte sich um eine Kindersendung. Sie erkannten die Stimmen von Trickfilmfiguren und schrille Musik, als sie vor die Haustür traten. M. J. blieb seitlich von Adam auf der Veranda stehen. Adam klopfte.
Ein kleines Mädchen erschien hinter der Fliegengittertür.
Adam schenkte ihr sein Ein-Millionen-Dollar-Lächeln.
»Kann ich deine Mom sprechen?« fragte er.
»Die ist nicht da.«
»Könntest du sie bitte rufen?«
»Sie ist nicht hier.«
»Tja, ist sie vielleicht in einem anderen Zimmer oder so?«
»Nein.« Die Stimme zitterte leicht und wurde zu einem Flüstern: »Sie ist da oben … im Himmel.«
Adam starrte sie mitfühlend an. »Das tut mir leid.«
Es war einen Moment still. Dann sagte das Kind: »Möchtest du mit meiner Tante Lila reden?«
»Missy? Wer ist denn da?« rief eine Stimme.
»Nur ein Mann«, antwortete die Kleine.
Nackte Füße patschten über den Boden, und eine Frau tauchte hinter der Fliegengittertür auf. Sie starrte Adam ausdruckslos an. Dann schweifte ihr Blick zur Seite und erfaßte M. J. Die Frau erstarrte. Sie hatte M. J. offenbar sofort erkannt.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte M. J. beruhigend. »Mein Name ist Dr. Novak. Ich komme von der Gerichtsmedizin …«
»Sie waren das. Auf dem Friedhof …«
»Ich versuche schon eine Weile, jemanden zu finden, der Peggy Sue Barnett gekannt hat.«
»Meine Mom?« fragte das Kind.
Die Frau sah auf die Kleine hinab. »Geh schon, Schätzchen. Geh fernsehen.«
»Aber sie redet von meiner Mom.«
»Das ist nur was für Erwachsene. Hör doch! Ich glaube, jetzt gibt es
Ducktales!
Lauf, sieh’s dir an.«
Das Kind, hin und her gerissen zwischen einem Gespräch unter Erwachsenen und ihrer Lieblingstrickfilmserie, entschied sich für letzteres. Sie rannte ins Nebenzimmer.
Die Frau sah M. J. an. »Warum fragen Sie nach Peggy Sue? Sind Sie von der Polizei?«
»Nein. Ich bin vom Amt für Gerichtsmedizin.« Sie hielt inne. »Ich glaube, daß Peggy Sue Barnett ermordet worden ist.«
Die Frau schwieg für einen Moment. »Ich weiß darüber leider gar nichts«, sagte sie schließlich.
»Warum haben Sie dann Angst?«
»Weil die Leute glauben könnten, daß ich mehr weiß, als es der Fall ist.«
»Erzählen Sie uns, was Sie wissen«, forderte Adam sie auf. »Dann wissen wir alle drei Bescheid. Und Sie brauchen keine Angst mehr zu haben.«
Die Frau warf einen Blick in die Richtung, aus der die Fernsehgeräusche kamen. Eine schrille Cornflakes-Werbung plärrte durch den Äther. Dann schweifte ihr Blick wieder zu M. J. Langsam entriegelte sie die Fliegengittertür und machte ihnen ein Zeichen hereinzukommen.
14
S ie setzten sich im Eßzimmer auf grün-gelb karierte Polsterstühle. Auf dem Tisch stand eine Schale mit Plastikobst, und an der Wand hing ein Bild des jungen Elvis Presley, der wie ein Schutzpatron aus einer Ewigkeit herabblickte. Lila zündete sich eine Zigarette an und blies Rauchwolken in die Luft.
»Ich war nur eine Freundin«, erklärte Lila. »Eine gute Freundin zwar, aber nicht mehr. Wir sind zusammen ausgegangen, haben die Bars unsicher gemacht. Sie wissen schon, Mädchenkram.« Sie tippte Asche ab. »Dann habe ich geheiratet, und wir haben uns irgendwie aus den Augen verloren. Ich wußte, daß sie eine harte Zeit durchmachte. Sie hat sich ständig Geld von mir geborgt, bis es bei mir selber knapp wurde. Peggy Sue
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