Gute Nacht, Peggy Sue
ihr am Tor begegnet.«
»Ich meine, sie ist fort! Sie hat all ihre Sachen mitgenommen.«
»Was?« Adam drehte sich um und sah die Auffahrt hinunter.
Mittlerweile mußte M. J. eine gute Meile und mehr Vorsprung haben, bog vermutlich bereits auf den Freeway ein. Er hatte keine Chance, sie rechtzeitig einzuholen.
Er wandte sich wieder an Thomas. »Hat sie gesagt, weshalb sie geht?«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Kein Wort.«
»Hat sie überhaupt etwas gesagt?«
»Ich hatte keine Chance, mit ihr zu sprechen. Sie und Miss Calderwood haben Tee getrunken, und …«
»
Isabel
war hier?«
»Ja, natürlich. Sie ist kurz vor Dr. Novak gegangen.« Adam machte auf dem Absatz kehrt und lief zu seinem Wagen zurück.
»Mr. Q.! Wo wollen Sie hin?«
»Zu Isabel!« erwiderte er wütend.
»Sind Sie am Abend wieder hier?«
»Natürlich. Dauert nur ein paar Minuten.« Adam trat aufs Gaspedal und raste aus der Auffahrt. »Gerade mal so lange«, fügte er murmelnd hinzu, »um ihr den Hals umzudrehen.« Isabel war zu Hause. Ihr Mercedes parkte in der Garage; der Gärtner war damit beschäftigt, die Chromleisten zu polieren.
Adam rannte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf.
Er stürmte ohne anzuklopfen ins Haus und brüllte: »Isabel!« Sie erschien lächelnd auf dem oberen Treppenabsatz. »Adam, was für eine Überraschung! Wie nett …«
»Was hast du zu ihr gesagt?«
Isabel schüttelte unschuldig den Kopf. »Zu wem?«
»M. J.«
»Ah.« Isabel glitt die Treppe hinab. »Wir haben uns unterhalten«, gab sie zu. »Nichts Weltbewegendes.«
»
Was hast du gesagt?
«
Sie blieb auf der untersten Stufe stehen. Der Kristallüster über ihren Köpfen erzeugte Lichtreflexe auf ihrem Haar. »Ich habe nur gesagt, daß ich Verständnis habe … Verständnis für die Schwierigkeiten, die sie haben muß. In einem großen Haus zu leben, ohne es gewohnt zu sein. Ein neuer Freundeskreis. Sie hat es nicht leicht, Adam.«
»Jedenfalls nicht mit Freundinnen, wie du eine bist.« Sie reckte das Kinn. »Ich habe ihr nur meinen Rat angeboten. Und mein Mitgefühl.«
»Isabel!« Er seufzte. »Ich kenne dich schon sehr lange. Wir hatten einige … recht vergnügliche Augenblicke zusammen. Aber ich habe nie erlebt, daß du in irgendeiner Form Mitgefühl für jemanden gezeigt oder bekundet hättest. Es sei denn für dich selbst.«
Isabel reagierte mit Verwunderung. »Was ist nur in dich gefahren, Adam? Ich kenne dich kaum noch. Es macht mir angst, wie du dich verändert hast.«
»Wirklich?« Er drehte sich um und griff nach der Türklinke.
»Dann ist die Wahrheit eben beängstigend.«
»Adam! Bedenk doch nur, wer sie ist! Woher sie kommt! Ich sage dir das als Freundin. Ich möchte verhindern, daß du einen Fehler begehst.«
»Der einzige Fehler, den ich gemacht habe«, erwiderte er und trat ins Freie, »ist, dich für eine
Freundin
gehalten zu haben.« Er schlug die Tür hinter sich zu, stieg wieder in seinen Wagen und fuhr nach Hause.
Den restlichen Abend verbrachte er mit dem Versuch, M. J. zu finden. Er rief in der Gerichtsmedizin an. Er rief Lou Beamis an.
Er rief sogar Ed Novak an. Niemand wußte, wo sie sich aufhielt, wo sie die Nacht verbrachte. Oder, falls sie es wußten, sagten sie es ihm nicht.
Weit nach Mitternacht ging er frustriert zu Bett. Während er im Dunkeln dalag, fielen ihm Isabels Worte wieder ein:
Bedenk doch nur, wer sie ist, woher sie kommt.
Und er fragte sich immer wieder, ob es für ihn einen Unterschied machte.
Die ehrliche Antwort darauf war:
Nein, auf keinen Fall!
Er hatte bereits eine standesgemäße Ehe mit einer standesgemäßen Frau hinter sich. Georgina hatte alles gehabt, was die gesellschaftlichen Spielregeln erforderten: blaues Blut, Reichtum, Ausbildung an den besten Schulen. Sie waren gemäß dem Standard ihrer Gesellschaftsschicht das perfekte Paar gewesen. Und ihre Ehe eine Katastrophe.
Soviel zu standesgemäßen Partnern.
M. J. Novaks Herkunft, ihre harte Jugend, war eher ein Vorzug. Sie war eine Überlebenskünstlerin, eine Frau, die sich den Herausforderungen des Lebens gewachsen gezeigt hatte, die diese nur noch stärker gemacht hatten. Hätte irgendeiner seiner reichen Freunde das ebenso bewältigt?
Die noch quälendere Frage war allerdings: Hätte
er
alldem standgehalten?
Die Antwort würde er nie erfahren, konnte er nie erfahren. Nicht, solange man ihn nicht auf die Probe stellte.
Das Telefon klingelte, als M. J. am folgenden Morgen ihr Büro betrat. Sie ignorierte es.
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