Gute Nacht, Peggy Sue
schuldet sie mir noch Geld.«
»Wofür denn?« erkundigte sich M. J.
»Lohn für zwei Wochen. Hatte ihr einen Vorschuß gegeben. Gleich darauf ist sie nicht mehr aufgetaucht.«
»Entschuldigen Sie, Mr ….?«
»Rick. Sagen Sie einfach Rick.«
»Rick, Peggy Sue ist tot. Wußten Sie das nicht?«
Der Mann namens Rick starrte sie an. Sein Blick schweifte zwischen ihr und Adam hin und her. »Heilige Scheiße! Jetzt kann ich meine dreihundert Mäuse vergessen.« Das Telefon klingelte. Er ging zum Schreibtisch, hob den Hörer ab und warf ihn wieder auf die Gabel. »Das habe ich jetzt von meiner Gutmütigkeit.«
»Interessiert es Sie eigentlich gar nicht, wie sie gestorben ist?« fragte Adam unverhohlen verächtlich.
»Okay«, seufzte Rick. »Wie ist das Flittchen ums Leben gekommen?«
»Sie ist an einer Überdosis gestorben.«
»Na, wenn das keine Überraschung ist!« Rick sank auf einen Stuhl und musterte sie gelangweilt. »Und warum sind Sie hier? Hat sie mich in ihrem Testament bedacht?«
»Rick, mein Freund«, sagte M. J. und zog sich einen Stuhl heran. »Wir müssen uns ernsthaft unterhalten. Ich komme vom Amt für Gerichtsmedizin. Und ich muß Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Sie? Und wer ist der dazugehörige Bulle?«
»Suchen Sie sich einen aus. Da wäre zum Beispiel mein Freund vom Morddezernat, Lieutenant Beamis. Oder möchten Sie lieber die Kollegen vom Betrugsdezernat kennenlernen? Könnte mir vorstellen, daß die sich brennend für Sie interessieren würden.« Sie sah sich im Raum um. »Was verkaufen Sie hier eigentlich? Billigurlaube?«
Rick starrte sie wütend an.
»Jetzt sind wir erst richtig bei Laune, was?« bemerkte M. J.
»Ich weiß gar nichts.«
»Peggy Sue hat ihren Job vor sechs Monaten aufgegeben. Stimmt das?«
Rick brummte etwas, das M. J. als Zustimmung deutete.
»Warum hat sie gekündigt?«
Die Reaktion war ein erneutes Brummen, begleitet von einem trotzigen Achselzucken. Die Unterhaltung näherte sich dem Niveau von Höhlenmenschen.
»War sie vielleicht sauer auf Sie?« fragte Adam. »Hat sie Ihnen einen Grund genannt?«
Vielleicht war es die Tatsache, daß plötzlich ein Mann die Fragen stellte, daß Rick sich endlich bequemte zu antworten.
»Darüber hat sie sich nicht ausgelassen. Ist einfach nicht mehr im Büro erschienen. Ein paar Tage später hat sie angerufen und verkündet, sie käme nicht mehr. Sie habe was Besseres.«
»Einen anderen Job?«
»Wer weiß? Das Flittchen war reichlich sprunghaft, wenn Sie mich fragen. Am Vormittag sitzt sie noch an ihrem Schreibtisch und macht Telefondienst. Als ich vom Mittagessen komme, liegt ein Zettel vor der Tür, daß sie hiermit kündigt. Keine Erklärung … zack und weg. Und ich sitze da, zahle Miete für zwei Räume und kriege niemanden, der am zweiten Schreibtisch das Telefon bedient.«
»Sie hatte ihr eigenes Büro?« sagte Adam.
»Das Zimmer da drüben.« Er deutete zum offenen Durchgang. »Ihr ganz privates, eigenes Büro. Hat sie wohl nicht zu schätzen gewußt.«
»Dürfen wir uns das Büro mal ansehen?« bat Adam.
»Tun Sie sich keinen Zwang an. Wird Ihnen auch nicht weiterhelfen.«
Der angrenzende Raum war wie der erste eingerichtet, nur ohne Computer. Und er hatte ein Fenster – mit Blick auf eine düstere, schmutzige Gasse voller Mülleimer.
Adam öffnete und schloß eine Schreibtischschublade.
»Nicht viel drin«, sagte er.
»Sie hat alles mitgenommen«, erklärte Rick. »Sogar die Stifte.
Meine
Stifte!«
»Keine Papiere, keine Notizen.« Adam zog die letzte Schublade auf. »Nichts.« Er machte sie wieder zu.
»Na also«, sagte Rick. »Hab doch gleich gesagt, daß Sie hier nichts finden. Nur einen Schreibtisch und ein Telefon.« Sein Blick schweifte zu M. J., die auf die Gasse hinuntersah. »Und ein Fenster.« Rick deutete hinaus. »Ich war großzügig. Ich habe
ihr
die Aussicht überlassen.«
»Und was für eine schöne Aussicht das ist«, bemerkte M. J. sarkastisch.
»Okay, da sind keine Palmen und kein Meer. Aber es ist ein Südfenster, und die Sonne scheint rein. Außerdem ist die Bolton eine ruhige Straße. Kein Verkehrslärm dröhnt einem die Ohren voll.«
»Tja«, seufzte Adam. »Schätze, viel gibt’s hier nicht mehr zu sehen.«
»Hab ich doch gleich gesagt. Jetzt zufrieden?«
M. J. starrte noch immer aus dem Fenster. In der Gasse tauchte ein Mann mit einem Müllbeutel auf. Er warf ihn in eine Mülltonne und knallte den Deckel wieder zu. Dann ging er den Weg zurück, den er gekommen
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