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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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wirklich getan, schrie es in Gaby. Sie sagte nichts.
    »Verstehst du mich?« Die Rektorin erhob ihre Stimme. »Beim Waschen, in der Küche, da hat er sie angeblich betastet, angefaßt, da, wo, du weißt schon.«
    Gaby holte tief Luft und schlug ihre Augen voll auf, sah in die ernsten Augen der Schulleiterin.
    »Nein«, sagte sie, »ich weiß nicht, was Elli meint.«
    Die Rektorin setzte sich und blätterte in ihren Papieren, sah dann wieder hoch. »Dein Vater, dein Stiefvater, wie ich hier lese, hat dich noch nie«, sie hüstelte, »so unkeusch angefaßt?«
    Gaby sah zu Schwester Agnes. Außer der Schulleiterin, Frau Busse, hatte noch keiner ein Wort gesagt. »Nein«, sagte Gaby und setzte sich ganz gerade. »Mein Pappi würde das nie tun.«
    »Und was sagst du zu Ellis Behauptung? Warum sollte sie so etwas Schlimmes erfinden?«
    Gaby konnte Elli nicht ansehen. Sie fühlte den Blick ihrer Freundin schmerzhaft im Nacken.
    »Ich weiß nicht.« Gaby hielt ihre Augen fest auf das Gesicht von Frau Busse. »Ich weiß wirklich nicht. Vielleicht, weil wir gestern morgen gestritten hatten?«
    »Worüber habt ihr gestritten?« fragte jetzt Ellis Mutter, und ihre Stimme bebte. »Ihr wart doch immer ein Herz und eine Seele.«
    »Über Jungens und so«, sagte Gaby. »Und daß ich später in ein Kloster will. Elli fand das blöde.«
    Sie schwieg. Sie konnte nicht mehr weiterreden, wartete auf weitere Beschuldigungen Ellis, doch niemand sagte etwas.
    Die Stille schmerzte, dröhnte in ihrem Kopf wie ein riesiger Gong.
    »Geht ihr beide bitte hinaus«, beschloß die Rektorin nach einer Weile und schickte die Kinder auf den Gang.
    Gaby setzte sich auf die Holzbank, Elli lehnte sich an den marmornen Pfeiler.
    »Ich dachte, du wärst meine Freundin«, sagte Elli und sah verächtlich auf sie herab. »So eine wie du!«

    Gaby wußte nicht, was die Erwachsenen in dem Lehrerzimmer beschlossen hatten. Auf jeden Fall kam niemand mit zu ihr nach Hause zu Mutti, um ihr etwas zu erzählen.
    Mutti fragte auch nicht, warum sie nie mehr mit Elli spielte. Mutti fragte überhaupt nie etwas.
    Elli wurde von Schwester Agnes in eine andere Bank gesetzt. Gaby saß allein, und eine Dornenhecke wuchs um sie herum, Dornen, die sie stachen und bei jeder unvorsichtigen Bewegung ihre Haut aufritzten.
    Die anderen Kinder begannen sie zu meiden, tuschelten, wenn sie in die Klasse kam. Sie war anders, wußte Dinge, über die man nicht sprach.
    Einen Monat später machte Gaby als Klassenbeste ihre Prüfung zur Oberschule und verließ Schwester Agnes und die katholische Grundschule.

4

    Solange Gaby zurückdenken konnte, kannte sie Angst. Sie schlief neben ihr auf dem Kopfkissen, wenn sie hochschreckte und glaubte, Sirenen heulen zu hören.
    Die Angst saß zwischen ihnen im Luftschutzkeller, wenn die Detonationen näher und näher kamen, die Glühbirne flackerte, verlosch. Mit der Angst kam Entsetzen vor Unbegreiflichem, Geschichten, die sie hörte und nicht begriff. Menschen, die erschossen werden mußten, weil sie nur im Wasser weiterleben konnten. »Phosphor«, flüsterte die Nachbarin Mutti zu. Entsetzen über die kleine, versengte Puppe, die ein freundlicher Mann ihr in seinem Handkoffer zeigte.
    »Seine Frau. Seit Tagen schleppt er sie mit sich herum!« Hilflos zog der Luftschutzwart zu Mutti gewandt die Schultern hoch. »Was soll ich tun? Wir kommen mit den Gräbern doch nicht nach.«
    Angst und Entsetzen waren allgegenwärtig, jeder hatte sie, kannte den lähmenden Druck auf dem Magen, das Verstummen vor Unaussprechlichem. Man lebte mit der Angst, konnte im Anblick von Toten wieder essen, Kinderlieder singen, wenn andere Worte verschüttet waren.
    Diese Angst schloß keinen aus.

    Sie waren umgezogen in eine Dreizimmer-Neubauwohnung. Gaby freute sich über das große Kinderzimmer; sie schlief wieder zusammen mit Achim.
    Doch nicht nur dadurch lebte sie auf. Pappi beachtete sie kaum, kam spät nach Hause, roch nach Maiglöckchen und färbte seinen Schnurrbart schwarz.

    Sie saßen beim Abendessen, als es an der Tür klingelte. Gaby sprang auf und öffnete sie. Ein Mädchen stand vor ihr. Unsicher sah sie Gaby an, eine Hand vor ihrem dicken Bauch, als wolle sie ihn festhalten.
    »Wohnt Anton hier? Ich meine, Herr Anton Malsch?«
    »Ja«, Gaby nickte. »Mein Pappi.« Neugierig sah sie auf den dicken Bauch. »Bekommst du ein Baby?«
    Hinter sich hörte sie Pappi tief Luft holen.
    »Ja«, sagte das Mädchen und sah an Gaby vorbei. »Ich bekomme ein Kind von

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