Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
wenig zu große Nase, den Schwung ihrer vollen Lippen. Sie war noch so schön wie an dem Tag, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Er konnte sich nicht sattsehen an ihrem zarten Hals, dem kleinen Leberfleck hinter dem rechten Ohr, ihrem Haar, das ihren Kopf umspülte wie rotes Schilfgras. Er küsste sie sacht auf die Stirn und sie öffnete die Augen.
»Wo gehst du hin?« Sie zog ihn an sich, rieb ihre Wange an seinem stoppeligen Kinn. »Schon wieder ein Einsatz?«
Ihre Stimme klang besorgt und Guy schüttelte den Kopf. »Nur eine Übung. Während der Ausgangssperre können wir das Hafengelände nutzen.«
Hedwig schob ihre Hand zwischen den Knöpfen seines Hemdes hindurch und streichelte seine Brust. »Du könntest dich krank melden«, flüsterte sie. »Tag und Nacht stehst du auf Abruf bereit, du hast einen freien Tag verdient.«
Sie nickte resigniert, als er ihr Handgelenk packte und einen Kuss in die Handfläche hauchte.
»Es wird nicht lange dauern«, sagte er. »Versprochen. Dann gehöre ich wieder ganz dir.«
»Du gehörst mir«, sagte sie und legte die Hand auf ihr Herz. »Hier drinnen halte ich dich gefangen. Für immer.«
»Für immer.«
Neben der Tür hing seine Schutzkleidung an einem Haken. Er griff seine Gasmaske und bemerkte nicht, dass er die Schutzbrille auf dem Nachttisch vergaß.
Guy nahm den Weg durch die U-Bahntunnel. Einer der Eingänge lag nur wenige Schritte von seinem Haus entfernt und das unterirdische Schienensystem würde ihn direkt zum Hafen führen. Viele der Tunnel waren baufällig und die Bahn fuhr bereits seit zehn Jahren nicht mehr.
Das Betreten der unterirdischen Anlage war unter Strafe verboten. Und tatsächlich hielten sich die meisten Bürger fern von den düsteren Tunneln, wenn auch nicht aus Furcht vor Strafe – der Arm des Gesetzes war viel zu kurz, um in die Tunnel zu reichen, die wenigen Beamten erstickten in Arbeit. Die Furcht, die die Bürger von den Tunneln fern hielt, wohnte tiefer. Tief unter dem Tunnelsystem, das sich unter der Cölner Innenstadt zu einem feinmaschigen unübersichtlichen Netz verästelte.
Guy drehte die Kurbel der Taschenlampe, bis der Akku vollständig aufgeladen war und folgte dem Lichtkegel. Die meisten Fliesen waren von den Wänden gefallen, die Feuchtigkeit durchdrang die Mauern. Bald würde auch dieser Teil der Tunnel nicht mehr begehbar sein. Unter den Kachelhaufen raschelte es. Der Geruch nach Mäusedreck war durchdringend. Hinter der nächsten Gabelung stand eine U-Bahn, die Türen geöffnet, als wartete sie nur darauf, dass die Passagiere endlich einstiegen und sie losfahren konnte. Gespenstisch glitt das Licht der Taschenlampe über die blinden Scheiben. Gänsehaut kroch über Guys Arme, er fühlte sich beobachtet, hielt inne und lauschte in die Dunkelheit außerhalb seines bescheidenen Lichtkegels. Ein Klappern, Guy zuckte zusammen und atmete auf, als eine Ratte über die verrosteten Schienen huschte.
»Dummkopf«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. Die Tunnel beunruhigten ihn immer wieder, obwohl es nichts Gefährlicheres als Ratten und Mäuse und hin und wieder einen herrenlosen Hund hier unten zu finden gab. Die DMG hatte diesen Teil des Tunnelsystems systematisch abgesucht und für sicher befunden. Es gab keine Eingänge zur Unterwelt. Nicht hier.
Tageslicht erhellte die Düsternis. Guy stieg die Treppe hinauf. Er setzte die Rußmaske auf und tastete nach seiner Schutzbrille. Verdammt! Ein Blick auf seine Taschenuhr zeigte ihm, dass es zu spät war, um umzukehren und die Brille zu holen. Er würde ohne sie gehen müssen.
Die Einsatzbesprechung fand in einem leer stehenden Lagerhaus statt. Inspektor Voigt sah auf seine Taschenuhr, als Guy eintrat und räusperte sich. »Nun, da alle anwesend sind, wird Kommissär Lacroix Sie mit den Details vertraut machen.«
Guy nahm den Platz seines Chefs ein. Anwesend waren (außer Kriminalinspektor Voigt) Kommissär Fuchs und zwei Kriminalassistenten-Anwärter. Frischlinge, noch nicht trocken hinter den Ohren. Guy seufzte unhörbar, als er ihre jungen Gesichter betrachtete. Er würde froh sein können, wenn sie nicht über ihre eigenen Füße stolperten. Die Beamten des KKA waren völlig überlastet, so dass man dankbar sein musste, wenigstens Frischlinge zugeteilt zu bekommen. Der Einsatz würde durchgeführt werden und die zur Verfügung stehenden Beamten würden ausreichen müssen.
»Meine Herren.« Er nickte den Kollegen zu. »Wir haben Informationen erhalten, dass
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