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Hab keine Angst, mein Maedchen

Hab keine Angst, mein Maedchen

Titel: Hab keine Angst, mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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unter den laufenden Wasserhahn und blickte mich misstrauisch um. Die Badezimmerregale waren brechend voll. Miras Ecke mit einer Sammlung kunterbunter Creme- und Parfümpröbchen. Ihre prall gefüllte Kulturtasche mit dem Emblem eines dicken, kussbereiten Frosches. Lasses Seite gewohnt übersichtlicher. Alle Utensilien in seiner Lieblingsfarbe blau. Hans‹ Rasierapparat, sein Aftershave. Daneben ein flüchtig rübergehängtes Handtuch. Und – ich musste heftig schlucken – auch meine Kulturtasche stand an Ort und Stelle. Heute Morgen hatte ich sie in dem fremden Badezimmer entdeckt und nicht mitgenommen. Wie kam sie plötzlich hierher?
    Ich schaufelte mir mit den Händen Wasser ins Gesicht und starrte mich im Spiegel an. Der Anblick brachte keine Klärung. Ich sah aus wie immer. Aber unter dem Spiegel hingen wieder vier Zahnbürsten in Reih und Glied.
    Ich trocknete mich ab und ging auf den Flur. Wachsam, um mich zu wappnen. Für was auch immer. Mich empfing das vertraute Durcheinander aus Schuhen und Jacken. Ich ging weiter in die Küche. Sie sah wieder aus wie unsere Küche. Fenster mit freier Sicht. Ohne Gardinen. Auf dem Tisch lag ein Zettel. Ich näherte mich Schritt für Schritt und erkannte Hans‹ fein geschwungene Handschrift. Ich musste mir einen Ruck geben, um nach dem Stück Papier zu greifen. »Hallo Michelle,
    es ist alles geregelt. Mach dir keine Sorgen. Mira wird heute gleich nach der Schule zu Klara gehen und dort schlafen. Lasse hole ich von der Schach-AG ab und nehme ihn mit in die Kanzlei. Ich hoffe, es geht Saphira wieder besser und du musst nicht noch eine Nacht im Stall verbringen. Ich vermisse dich. Dein Hans.«
    Ich drückte den Zettel an die Lippen und küsste ihn. »Ich vermisse dich auch«, flüsterte ich. Ohlsens Worte drangen in mein Bewusstsein: Die andere alte Dame heißt Meinberg. Sie heißt Meinberg, hatte er gesagt und er meinte nicht mich! War ich nicht mehr alt? Sollte das wirklich wahr sein? Ich drehte mich um und stürmte ins Wohnzimmer. Magdalene lag noch immer auf dem Sofa und schlief.
    »Magdalene! Magdalene, wachen Sie auf!« In meiner Aufregung hatte ich sie ganz selbstverständlich beim Vornamen genannt. Sie rührte sich nicht. Ich fasste sie ungeduldig an den Schultern und schüttelte sie.
    »Magdalene, nun wachen Sie doch auf!«
    Sie schreckte hoch. Ihr sonst so gepflegtes Haar hing ihr wirr vor dem Gesicht. Sie beachtete es nicht, sondern stierte mich nur völlig entgeistert an. Ich ging in die Hocke, um mit Magdalene auf Augenhöhe zu kommen.
    »Ich bin es! Michelle Meinberg. Wie sehe ich aus?«
    Magdalene ruderte hilflos mit den Händen in der Luft herum. Sie versuchte, etwas zu sagen, aber sie brachte kein Wort über die Lippen.
    »Nun, sagen Sie schon«, bettelte ich.
    »Sie haben noch immer die gleiche Stimme«, kam endlich eine vorsichtige Antwort.
    »Und sonst?«
    »Und sonst?«, wiederholte Magdalene. »Sonst sehen Sie anders aus. Anders und jung.«
    »Wie alt schätzen Sie mich?«, fragte ich atemlos.
    »Ihren Jahrgang kann ich schlecht schätzen. Das ist zu lange her«, wehrte Magdalene ab.
    »41!«, jubelte ich. »Ich bin 41!« Ich sprang auf, griff Magdalene an beiden Hände und zog sie zu mir hoch.
    »Ich bin wieder in meiner Zeit. Verstehen Sie, was das bedeutet? Ich bin wieder in meinem Leben.«
    »Das freut mich wirklich für Sie«, sagte Magdalene zurückhaltend höflich.
    Ich umarmte sie herzlich. »Aber verstehen Sie nicht? Jetzt kann ich Ihnen auch helfen. Ha! Ihr Neffe soll mal ankommen und sich trauen, Sie als unzurechnungsfähig zu erklären. Den werde ich fertigmachen. So klein mit Hut mache ich den!«
    Ich zeigte übermütig zwei Zentimeter zwischen Zeigefinger und Daumen. »Sie können wieder nach Hause. Sie sind gesund, und Ihr Neffe kann sich seine Erbschaft abschminken.«
    Magdalene löste sich sanft aber bestimmt aus meiner Umarmung.
    »Sie meinen es gut, das weiß ich. Aber erstens bekommt Norbert die Hälfte unseres Vermögens schon zu meinen Lebzeiten und zweitens geht es mir nicht um meine Güter. Norbert hat auf die gemeinste Weise meinen Mann getötet. Er ist ein Mörder und läuft frei herum. Daran werden wir nichts ändern können, und solange mag ich nicht wieder in mein Haus zurückgehen.«
    Mein überschäumendes Hochgefühl bekam durch Magdalenes Traurigkeit einen kleinen Dämpfer.
    »Bleiben Sie bei mir!«, schlug ich ihr vor. »Wir haben genug Platz im Haus.«
    »Nein, auf keinen Fall«, wehrte Magdalene entschieden ab und

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