Habe ich dich schon mal geküsst?
ein interessantes Dilemma, Bryony.“
Skeptisch musterte sie ihn. „Dilemma?“
„Rätsel. Puzzle. Eins der vielen Dinge, die ich in letzter Zeit nicht begreife.“
Fragend neigte sie den Kopf zur Seite.
„Ich schwöre, ich kann mich nicht an dich erinnern. Ich schaue dich an, und es ist nichts da. Aber wenn du mir nahe bist, wenn ich dich berühre …“, er senkte die Stimme zu einem Flüstern, was Bryony wohlig erzittern ließ, „kommt es mir vor, als ob …“
„Als ob was?“
Auf seiner Miene spiegelte sich Verwirrung, so als müsste er nach dem richtigen Wort suchen. Schließlich seufzte er und schaute sie mit verlangendem Blick an.
„Wir passen zusammen“, erklärte er. „Anders kann ich es nicht erklären, aber es fühlt sich einfach … richtig an.“
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als Hoffnung in ihr aufkeimte. Das erste Fünkchen Hoffnung, das sie verspürte, seit Rafael ihr diese verrückte Geschichte aufgetischt hatte. Strahlend vor Freude lächelte sie ihn an.
„Erstaunlich, dass dich ein paar so schlichte Worte so glücklich machen können“, murmelte er.
„Wir passen tatsächlich zusammen“, erwiderte sie. Sie umschloss mit beiden Händen sein Gesicht und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben.
Es sollte ein Zeichen der Zuneigung sein. Vielleicht eine Erinnerung daran, was sie gemeinsam erlebt hatten. Doch Rafael ließ es nicht dabei bewenden.
Sein Kuss war alles andere als zaghaft. Es war, als wollte er versuchen, einen Weg zurückzufinden. In diesem Moment kam es Bryony so vor, als wären sie nie getrennt gewesen. Er küsste sie, wie er sie schon so viele Male zuvor geküsst hatte, nur dass diesmal ein kleiner Unterschied bestand, den Bryony nicht richtig benennen konnte. Es war nicht nur ein leidenschaftlicher, sinnlicher Kuss, sondern ein … emotionaler, zärtlicher.
So, als wollte Rafael sich für all den Schmerz entschuldigen, den er ihr zugefügt hatte. Für die Trennung und das Missverständnis.
Sie seufzte leise, während sich Traurigkeit und Freude miteinander mischten. Als er den Kopf wieder hob, waren seine Augen dunkel, und ein Zittern durchlief seinen Körper.
„Ein Teil von mir erinnert sich an dich, Bryony, denn ich habe das Gefühl, nach Hause zu kommen, wenn ich dich küsse. Das hat bestimmt etwas zu bedeuten.“
Sie nickte, weil sie zu aufgewühlt war, um etwas sagen zu können. Mehrmals musste sie schlucken, ehe sie ihre Stimme wiederfand.
„Wir finden einen Weg zurück, Rafe. So einfach lasse ich dich nicht gehen. Als ich gedacht habe, du würdest mich nicht mehr wollen, da war es leicht zu sagen, nie wieder. Aber jetzt, nachdem ich weiß, was passiert ist, gebe ich nicht kampflos auf. Irgendwie werde ich dafür sorgen, dass du dich wieder erinnerst. Es geht ja nicht nur um dein Glück, sondern auch um meins.“
Er lächelte und strich mit dem Daumen über ihre Wange. „Meine kleine Kämpferin. Du faszinierst mich, Bryony. So langsam kann ich verstehen, wie es möglich sein konnte, dass ich von Anfang an so verhext von dir war.“
Noch einmal beugte er sich vor und küsste sie, ohne auf die anderen Menschen um sie herum zu achten. „Ich möchte mich erinnern. Hilf mir dabei.“
„Du bekommst deine Erinnerungen zurück“, versicherte sie ihm. „Wir bekommen sie zurück. Gemeinsam schaffen wir es.“
9. KAPITEL
Der Flug zurück nach Houston war sehr viel angenehmer als der Hinflug, da sie und Rafael die hintersten Sitze in der ersten Klasse bekommen hatten. Ohne Schuldgefühle konnte Bryony daher den Sitz zurückklappen, und als sie in Houston landeten, war sie ausgeruht und bereit für die Fahrt mit dem Auto.
Rafael hätte gern einen Wagen mit Fahrer gemietet, doch Bryony beharrte darauf, ihr eigenes Auto zu nehmen, da sie es auf der Insel brauchte. Resigniert fügte er sich in sein Schicksal und zwängte sich in ihren Mini Cooper.
Als sie kurz darauf in einem Stau steckten, meinte Rafael: „Erzähl mir, was du so tust. Ich meine, arbeitest du? Du hast gesagt, dass du dich um deine Großmutter kümmerst, aber ich war mir nicht sicher, ob das eine Vollzeitbeschäftigung ist oder nicht.“
Bryony lächelte. „Nein, Mamaw ist immer noch ziemlich selbstständig. Ich würde gar nicht mal sagen, dass ich mich um sie kümmere, sondern dass wir uns umeinander kümmern. Allerdings war sie in letzter Zeit häufiger krank. Ansonsten bin ich so eine Art Hansdampf in allen Gassen. Ich mach ein bisschen von allem, kümmere
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