Habe ich dich schon mal geküsst?
„Er glaubt, dass es einen psychologischen Grund für meinen Gedächtnisverlust gibt. Wenn ich so glücklich und verliebt war, warum sollte ich dann alles vergessen wollen? Das ergibt keinen Sinn.“
Bryony zuckte zusammen. Ihre Finger waren fast taub, als sie merkte, wie fest sie die Gabel umklammerte.
„Ich habe das nicht gesagt, um dir wehzutun“, fuhr Rafael leise fort. „Es gibt so vieles, das ich nicht verstehe. Ich möchte gern zurückfahren, weil ich den Menschen wiederfinden möchte, der ich gewesen bin, als ich dort war. Der Mann, von dem du behauptest, du hättest ihn geliebt und er hätte dich geliebt, ist ein Fremder für mich.“
„Offenbar sind wir beide Fremde für dich“, erwiderte sie. „Vielleicht existiert dieser Mann gar nicht. Vielleicht habe ich ihn mir nur eingebildet.“
„Aber keiner von uns bildet sich das Kind nur ein. Es ist allzu real, genau genommen das einzig Reale an dieser ganzen Situation.“
Seine Worte machten sie traurig. Sie schob den Teller beiseite, weil ihr der Appetit vergangen war.
„Unser Baby ist nicht das Einzige, was unsere Beziehung real gemacht hat. Meine Liebe zu dir war real. Ich vermute, wir werden nicht erfahren, ob du real warst, als du bei mir gewesen bist. Du bestreitest, dass du dieser Mensch gewesen sein kannst. Du bestreitest es mit jedem Atemzug. Und ich soll all das vergessen, wenn du dich plötzlich wieder daran erinnern solltest, dass du mich geliebt hast … mich immer noch liebst?“
Sie ließ die Hände auf den Schoß sinken und beugte sich vor.
„Sag mir eins, Rafael, welchem Mann soll ich glauben? Dem Mann, der mir erklärt, ich wäre nicht sein Typ und dass er mich unmöglich lieben könne, oder dem Liebhaber, der mich jede Nacht in seinen Armen gehalten hat? Egal, woran du dich morgen oder übermorgen erinnerst … ich werde immer wissen, dass ein Teil von dir sich allein schon gegen den Gedanken sträubt, mit mir zusammen zu sein.“
An seiner Reaktion sah sie, dass die Worte ihn nicht kalt ließen. Er machte eine hilflose Handbewegung. „Bryony, ich …“
Mit einem vehementen Kopfschütteln unterbrach sie ihn. „Nicht, Rafael. Mach es nicht noch schlimmer, indem du sagst, du hast es nicht so gemeint. Wir wissen beide, dass du es so gemeint hast. Zumindest warst du ehrlich. Du musst dir nur einfach vor Augen führen, dass du nicht das einzige Opfer hier bist.“
„Es tut mir leid“, sagte er.
Er legte eine Hand auf ihre und strich zärtlich mit dem Daumen darüber. „Es tut mir wirklich leid. Ich bin ein schrecklicher Egoist. Ich weiß, dass das alles nicht leicht für dich ist und dir Sorgen bereitet. Vergib mir.“
Ihr schnürte sich die Kehle zusammen, als sie die Aufrichtigkeit in seinen Augen sah. Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen und ihn nie wieder losgelassen. Sie hätte ihm gern zugeflüstert, dass sie ihn liebte. Sie wollte ihn anflehen, sie nie wieder gehen zu lassen. Stattdessen schaute sie ihn jedoch nur frustriert und hilflos über den Tisch hinweg an.
„Was ist, wenn du dich nie wieder erinnern kannst?“, fragte sie und äußerte damit ihre größte Angst.
„Ich weiß es nicht“, antwortete er ehrlich. „Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt.“
Sie lehnte sich zurück und entzog ihm ihre Hand. Der Druck auf ihrer Brust war wie ein körperlicher Schmerz.
„Sag mal, Bryony, haben wir je zusammen getanzt?“
Die Frage kam so unvermittelt, dass sie nur stumm den Kopf schütteln konnte.
Rafael stand auf und streckte ihr die Hand hin. „Dann tanz jetzt mit mir.“
Verzaubert vom heiseren Klang seiner Stimme, legte Bryony die Hand in seine und ließ sich von ihm hochziehen.
Auf der Tanzfläche schloss sie die Augen und seufzte, während sie sich an Rafael schmiegte. Seine Wärme umfing sie, und als sein Duft ihre Nase kitzelte, atmete sie genüsslich ein.
Oh, wie sie ihn vermisst hatte. Sogar als sie ihn gehasst und das Schlimmste von ihm angenommen hatte, hatte sie nachts wach gelegen und sich an die gemeinsamen Nächte erinnert, als sie sich zum Rauschen des Meeres geliebt hatten.
Jetzt, als sie zu den sinnlichen Klängen der Musik tanzten, war sie sich mit jeder Faser ihres Körpers seiner Gegenwart bewusst. Rafael hielt sie so besitzergreifend, als wollte er der ganzen Welt mitteilen, dass sie zu ihm gehörte. Es war herrlich, sich in diesem Moment – in diesem Tagtraum – zu verlieren.
Sanft streichelte er mit dem Daumen über ihren Puls am Handgelenk.
„Du bist
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