Habe ich dich schon mal geküsst?
„Ich wollte mich nur mal nach euch erkundigen. Wie ich hörte, gab es gestern einen kleinen Vorfall.“
Bryony verzog das Gesicht und legte instinktiv die freie Hand auf das blaue Auge.
„Wie du siehst, geht es ihr gut“, meinte Rafael. „Wenn du uns jetzt bitte entschuldigst, wir gehen rein, damit Bryony sich etwas Wärmeres anziehen kann.“
„Eigentlich wollte ich nach dir sehen“, meinte Devon grinsend. „Bryony scheint mir eine Frau zu sein, die auf sich selbst aufpassen kann.“
Bryony räusperte sich, weil die Situation auf einmal ziemlich unangenehm wurde. Devon machte sich keine Sorgen um sie. Er machte sich Sorgen um Rafael, weil er in ihre Fänge geraten war. Ihr Gesicht glühte vor Verlegenheit, und sie löste ihre Hand aus Rafaels.
„Ich gehe hoch und lasse euch … reden. Ist oben abgeschlossen?“
Rafael fischte eine Karte aus der Tasche und reichte sie ihr. „Die brauchst du für den Fahrstuhl.“
Sie nahm sie und eilte zur Tür, nachdem sie Devon noch kurz zugewinkt hatte.
Die beiden Männer sahen ihr hinterher, bevor Rafael sich stirnrunzelnd an seinen Freund wandte. „Was sollte das?“
Devon zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, ich wollte mich nur nach dir erkundigen. Du hast in den letzten Tagen einiges durchgemacht. Erinnerst du dich jetzt an irgendetwas?“
Rafael schüttelte den Kopf. „Lass uns reingehen, es ist kalt.“
Sie suchten sich einen Platz in dem kleinen Café in der Lobby, und Rafael beruhigte seinen Freund. „Es ist alles in Ordnung. Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst und mit Ryan und Cam irgendwelche Pläne schmiedest, um mich zu beschützen.“
Devon seufzte. „Auch dann nicht, wenn ich deine Idee, auf diese verdammte Insel zu fliegen, für verrückt halte?“
„Vor allem dann nicht.“
Devon nippte an seinem Kaffee. „Hältst du es wirklich für eine gute Idee, mit der Frau, die behauptet, sie würde ein Kind von dir bekommen, wegzufahren? Mir scheint, es wäre sehr viel vernünftiger, einen Vaterschaftstest machen zu lassen und abzuwarten, bis du das Ergebnis hast.“
Rafael starrte Devon grimmig an. „Und dann?“
„Na, das hängt vom Ergebnis ab.“
Rafael schüttelte den Kopf. „Wenn sich herausstellt, dass ich der Vater bin und es wahr ist, was sie behauptet, dann habe ich sie während der Zeit, die ich auf diese Ergebnisse warte, verleugnet. Wenn sie die Wahrheit sagt, habe ich ihr ohnehin schon viel zu viel angetan. Wie soll ich diese Kluft dann jemals wieder überbrücken?“
„Ich habe das Gefühl, dass du dich bereits entschieden hast. Du vertraust ihr.“
„Ich weiß nicht. Mein Verstand sagt mir, dass sie nicht die Wahrheit sagen kann. Die Vorstellung, dass ich mich Hals über Kopf in sie verliebt habe, kommt mir absurd vor.“
„Aber?“
„Aber mein Bauch sagt mir, dass zwischen uns definitiv etwas ist“, gab Rafael zu. „Wenn ich in ihrer Nähe bin, wenn ich sie berühre … kommt es mir vor, als würde ich ein völlig anderer Mensch werden. Jemand, den ich nicht kenne. Wenn sie erzählt, dass wir uns am Meer geliebt haben, klingt sie verdammt überzeugend, und ich glaube ihr. Mehr noch … ich will ihr glauben.“
Devon stieß einen kleinen Pfiff aus.
Rafael seufzte, weil er wusste, worauf Devon hinauswollte. Rafael hörte immer auf sein Bauchgefühl. Sogar, wenn die Vernunft ihm etwas anderes riet. Und es hatte ihn noch nie getäuscht.
8. KAPITEL
„Geht es dir gut genug, um fliegen zu können?“, wollte Rafael beim Abendessen von Bryony wissen.
Bryony schaute von ihrem Steak auf und sah, dass Rafael ihr zerschundenes Gesicht betrachtete.
„Rafael, mir geht es gut.“
„Vielleicht solltest du noch einmal zum Gynäkologen gehen, ehe wir losfahren.“
„Wenn du dich dann besser fühlst, hole ich mir gleich einen Termin bei meinem Arzt, wenn wir auf der Insel sind, aber ich bin ganz sicher in der Lage zu reisen. Es sei denn, du hast hier noch Dinge, um die du dich kümmern musst? Ich kann auch schon vorfahren, wenn du noch nicht weg kannst.“
„Nein, wir fahren zusammen. Mir ist es wichtig, dass wir alles noch einmal gemeinsam erleben … so wie beim letzten Mal. Vielleicht kommt aufgrund der Vertrautheit dann mein Erinnerungsvermögen zurück.“
Bryony schnitt sich ein Stück Fleisch ab. „Was sagt dein Arzt?“
Die Frage war Rafael sichtlich unangenehm. Er schaute sich verstohlen um, doch sie hatten einen Tisch im Restaurant zugewiesen bekommen, der ihnen genügend Privatsphäre bot.
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