Habe ich dich schon mal geküsst?
gehabt. Das hier war etwas völlig anderes.“
„Stimmt“, meinte sie leise. „Das war nicht nur Sex.“
„Was war es dann?“
Sie hob den Kopf und schaute ihm in die Augen. „Wir haben uns geliebt, Rafael. Ich liebe dich. Du liebst mich. Ich würde gern glauben, dass sich daran nichts geändert hat. Es gibt Dinge, die weiß das Herz, auch wenn der Verstand sie nicht akzeptieren oder sie ausblenden will.“
„Es macht mir schreckliche Angst, dass man etwas so Großes einfach vergessen kann. Ich habe noch nie jemanden geliebt.“
„Nie?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin sicher, ich habe anfangs meine Eltern geliebt. Es ist nicht so, dass ich sie jetzt hasse, aber ich denke einfach nicht an sie, genauso wenig wie sie an mich denken. Ich war für sie eher eine Unannehmlichkeit. Das mag kalt klingen, aber so ist es nun einmal. Das heißt, ich habe noch nie jemanden tief und innig geliebt, und gerade als ich es angeblich tue, vergesse ich es gleich wieder? Nur das und sonst nichts?“
„Vielleicht war es ein so traumatisches Erlebnis, dass du dich verliebt hast, dass du es ausgeblendet hast“, neckte sie ihn.
„Ich fasse es nicht, dass du darüber Witze machst“, brummte er.
„Na ja, entweder ich lache darüber, oder ich muss weinen, und davon bekomme ich Kopfschmerzen. Außerdem wirst du dich schon noch erinnern. Ich glaube, du bist schon dabei. Viele Sachen machst du ganz instinktiv. Du behandelst mich nicht wie eine Fremde, obwohl ich es ja eigentlich für dich bin. Wenn du wirklich glauben würdest, dass du mich nicht kennst, würdest du dann hier in meinem Bett mit mir liegen und mir deine Geheimnisse anvertrauen?“
„Wahrscheinlich nicht.“
Sie beugte sich vor, um ihm einen Kuss zu geben, und schmiegte dann den Kopf wieder in seine Halsbeuge. „Einen Tag nach dem anderen, Rafe. Lass uns hoffen, dass uns jeder Tag näher zum Ziel bringt, nämlich dass du dich an uns erinnerst.“
Er schloss sie noch fester in die Arme. „Ich bin nicht sicher, ob ich deine Geduld und deine Liebe verdiene, aber ich bin dir verdammt dankbar.“
16. KAPITEL
Rafael wurde vom Klingeln seines Blackberrys geweckt. Am Klingelton konnte er erkennen, wer ihn anrief, daher ignorierte er den Anruf. Devon hatte mit Cam gesprochen, und der meldete sich jetzt, um zu fluchen und Rafael zu beschimpfen.
Cam war ziemlich vorhersehbar.
Das Telefon verstummte kurz, nur um sofort wieder zu klingeln. Leise fluchend beugte Rafael sich, so weit es ging, aus dem Bett, ohne Bryony aus den Armen zu lassen. Es gelang ihm, seine Hose heranzuziehen und das Telefon herauszuangeln. Als Erstes drückte er auf die Ignorieren-Taste, und anschließend schaltete er das Gerät aus.
Ein paar Tage lang konnte seine Firma ohne ihn funktionieren. Schließlich zahlte er fähigen Leuten viel Geld, damit alles reibungslos lief.
Vielleicht hatte Bryony recht. Er brauchte nicht mehr der Mensch zu sein, der er immer gewesen war. Außerdem hatte sie recht damit, dass er für seinen Sohn oder seine Tochter durchaus bereit war, Opfer zu bringen. Er wollte kein Vater sein, der immer abwesend war. Er wollte nicht wie sein eigener Vater werden, der seine einzige Verpflichtung der Familie gegenüber darin gesehen hatte, diese finanziell zu versorgen.
Als Eltern hatte man weitaus mehr als nur materielle Verpflichtungen. Rafael wollte die Theaterstücke in der Schule sehen, wollte beim Fußball mitfiebern. Er wollte ein Geschenk unter das Kopfkissen seines Kindes legen, wenn es einen Zahn verloren hatte, und so tun, als wäre es die Zahnfee gewesen.
Er schaute Bryony an, deren Kopf auf seiner Schulter lag. Die Morgensonne schien auf ihre Haut, die dadurch fast durchsichtig schimmerte. Sie sah so friedlich aus. Zufrieden und … geliebt.
Der Gedanke war wie ein Schlag in die Magengrube.
Es konnte einfach nicht sein, dass er sich innerhalb weniger Tage in diese Frau verliebt hatte.
Aber waren es wirklich erst wenige Tage? Oder reagierte er auf die Wochen, die sie schon zusammen verbracht hatten? Konnte es sein, dass er sich im Unterbewusstsein an sie erinnerte, in ihr die Frau erkannte, die er für sich auserkoren hatte? Die Frau, in die er sich verliebt hatte?
Bisher hatte er immer geglaubt, die Liebe würde wie ein Blitz einschlagen. Dieses merkwürdige Gefühl der Zufriedenheit passte nicht zu dem, was er sich immer unter Liebe vorgestellt hatte. Vor allem hatte er nicht damit gerechnet, dass es so … einfach sein würde.
Einfach. Von wegen.
Weitere Kostenlose Bücher