HABE MUTTER, BRAUCHE VATER - Mallery, S: HABE MUTTER, BRAUCHE VATER
wieder zu. „Äh, wie bitte?“
„Sagen Sie alles ab. Jede Besprechung, jeden Termin. Ich möchte neu beginnen. Könnten Sie allen eine E-Mail schicken und um etwas Geduld bitten, bis der neue Plan fertig ist?“ Um den mysteriösen Mr. J. würde er sich selbst kümmern.
Sie wurde bleich. „Natürlich. Das erledige ich gern.“
„Gut. Ich werde mich mit den Geschäftsführern der Lokale und mit den Abteilungsleitern zusammensetzen, aber erst später in dieser Woche. Vorher möchte ich mir die Quartalsberichte durchlesen. Dann vereinbaren Sie für mich bitte in jedem der vier Restaurants an verschiedenen Tagen einen Termin. Das ‚Waterfront‘ kann als Letztes drankommen – ich weiß, dass dort alles gut läuft.“
Vicki schien vor Schreck regelrecht erstarrt. „Entschuldigen Sie, dass ich nachfrage – aber meinen Sie, dass Sie überall selbst hingehen?“
„Ja, sicher. Die Besprechungen sind einfacher zu organisieren, wenn ich mich nach den Arbeitszeiten in den Restaurants richte.“
Sie machte sich hektisch Notizen.
Als sie fertig war, sagte er: „Wäre es möglich, heute Vormittag die aktuellen Quartalsberichte zu bekommen?“
„Selbstverständlich. Ich habe sie auf meinem Computer.“
„Ausgezeichnet. Aber keine Eile.“
Vicki schrieb sich wieder etwas auf.
„Arbeitet Kit gern nachts?“, fragte er.
Vicki erbleichte erneut. „Ich weiß es nicht. Gibt es ein Problem? Soll ich …“
Er hob eine Hand und unterbrach sie: „Tief durchatmen.“
„Wie bitte?“
„Atmen Sie. Holen Sie tief Luft, und versuchen Sie, sich zu entspannen.“
Sie befolgte seine Anweisung, wirkte danach aber nicht weniger nervös.
„Niemand hier wird gefeuert“, sagte er. „Auch sonst wird nichts Schlimmes passieren. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass ich Sie – trotz Ihrer Position als Assistentin des Chefs – bitten werde, mir zu Mittag etwas zu essen zu holen, da ich nicht in ein Restaurant gehen möchte. Obwohl wir vier eigene besitzen, gibt es hier in der Zentrale ja nichts Besseres als ein paar Snackautomaten.“
„Sehr gern bringe ich Ihnen das Essen“, sagte sie. „Jeden Tag.“
„Wunderbar. Aber das tun Sie in der Arbeitszeit und nicht in Ihrer eigenen Mittagspause. Was Kits Arbeitszeit betrifft – ich habe nicht vor, bis Mitternacht hierzubleiben. Wenn sie also lieber tagsüber arbeiten möchte, wäre das für mich völlig in Ordnung. Ich bin überzeugt, es gibt für Sie beide genug zu tun.“
Sie begann wieder, sich hektisch etwas zu notieren.
„Vicki“, sagte er und wartete, bis sie ihn ansah. „Sie müssen nicht alles aufschreiben.“
„Ich möchte alles richtig machen. Das ist sehr wichtig.“
„Was passiert, wenn Sie einen Fehler machen?“
Angesichts ihres panischen Gesichtsausdrucks fühlte er sich, als hätte er sie getreten. „Schon gut“, sagte er. „Meine Erfahrung ist, dass man es nie sofort ganz richtig machen muss.“
Sie nickte. Doch Walker hatte seine Zweifel, dass sie ihm glaubte.
Waren alle Mitarbeiter hier so? Kein Wunder, dass die Firma in den letzten zehn Jahren drei verschiedene leitende Geschäftsführer kommen und gehen gesehen hatte.
Wie viel würde er hier umorganisieren müssen? Mit Leuten zu arbeiten, die Angst hatten, war nicht effizient. In seinem früheren Beruf hatte er gelernt, dass ein bisschen Angst nicht schadete, zu viel davon aber tödlich sein konnte.
Er dachte daran, wie Gloria immer versucht hatte, ihre Enkelkinder zu kontrollieren. Hatte sie sich, nachdem sie darin gescheitert war, ihren Angestellten zugewandt?
„Während ich hier bin, wird alles etwas anders laufen“, sagte er zu Vicki. „Das dürfen Sie gern weitersagen.“
9. KAPITEL
Elissa versuchte angestrengt, sich auf die blauen Topase zu konzentrieren, die vor ihr auf dem Küchentisch lagen. Normalerweise erlaubte ihr Budget die Arbeit mit solch schönen Steinen nicht, aber einer ihrer Stammkunden im Lokal kannte jemanden aus der Schmuckbranche, deshalb hatte sie die geschliffenen Edelsteine zu einem tollen Preis bekommen. Im Gegenzug sollte Elissa aus einem Ballen Stoff Schlafzimmergardinen nähen. Alles in allem ein gutes Geschäft.
Ihr schwebten sechs Paar Ohrringe vor – vorausgesetzt, sie fand genügend passende Steine dafür. Wenn nicht, würde sie den Rest für eine Halskette oder vielleicht einen Anhänger verwenden. Sie hatte so viele Ideen …
Unter normalen Umständen wäre sie bereits seit Stunden in ihrer Arbeit versunken, doch an diesem
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