Habgier: Roman (German Edition)
stellen Sie ihn doch zu Matt Thurgold durch, damit der eine Vermisstenmeldung aufnimmt...«
»Lieutenant, Mr. Lodestone besteht lautstark darauf, dass es sich um Mord handelt. Ich glaube nicht, dass ihm eine Vermisstenmeldung reichen würde... Sir.«
»Also gut, stellen Sie durch.« Decker nahm den Anruf an. »Lieutenant Decker am Apparat.«
»Lieutenant?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang überrascht. »Na, endlich passiert mal was! Wissen Sie eigentlich, wie oft ich in den letzten Tagen bei Ihnen angerufen habe?«
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Mein Name ist Farley Lodestone, und ob Sie mir helfen können, Lieutenant Deckman. Meine Stieftochter ist verschwunden. Ihre Mutter und ich haben seit sechsundvierzig Tagen nichts mehr von ihr gehört. Wir fragen uns seit Wochen, warum, und kommen immer wieder nur auf ein und dieselbe Antwort: Der Hurensohn von Ehemann hat sich endlich getraut.«
»Getraut?«
»Sie wissen genau, was ich meine, Deckman. Dieser Scheißkerl hat sie umgebracht !«
Decker schrieb von seinem Telefondisplay die angezeigte Nummer ab. Es schien eine Handynummer zu sein. »Mr. Lodestone, warum kommen Sie nicht einfach hierher, und wir reden über die ganze Sache. Eine so ernste Angelegenheit sollte nicht am Telefon besprochen werden.«
Die Leitung blieb lange still. »Meinen Sie das wirklich?«
»Ja, Sir, und ich hätte ungefähr in einer Stunde Zeit für Sie. Wie klingt das?«
»Viel zu schnell! Meine Lady und ich brauchen eine Weile, bis wir bei Ihnen sein könnten.«
»Von wo aus rufen Sie an, Mr. Lodestone?«
»Fresno.«
Das waren fast dreihundertfünfzig Kilometer Luftlinie. »Und Sie rufen bei uns an, weil Ihre Tochter hier in der Gegend wohnt?«
»23116 Octavia Avenue. Da finden Sie auch den Scheißkerl.«
»Und wie heißt der Scheißkerl?«
»Ivan Dresden. Er arbeitet als Broker für Merrill Lynch in Porter Ranch. Meine Stieftochter heißt Roseanne. Roseanne Dresden.«
Decker klemmte sich den Hörer unters Kinn und schrieb alles auf. Als er Roseannes Namen auf dem Blatt Papier sah, fiel ihm sofort auf, dass er ihn nicht zum ersten Mal las. »Der Name kommt mir bekannt vor. Gibt es dafür einen Grund?«
»Na, vielleicht haben Sie ihn in der Zeitung gelesen. Angeblich war sie auf diesem West Air Flug dabei, der in das Apartmenthaus gestürzt ist.«
Das war’s! Deckers Verstand arbeitete auf Hochtouren. »Mr. Lodestone, wollen Sie damit andeuten, dass Ihre Stieftochter nicht an Bord des Flugzeugs war?«
»Genau das will ich Ihnen damit sagen.«
»Aber in der Presse wurde sie als eines der Opfer genannt.«
»Junger Mann, ganz bestimmt hat Ihnen schon mal jemand gezwitschert, dass Sie nicht alles glauben sollten, was in der Zeitung steht.«
Farley und Shareen Lodestone tauchten nachmittags um zehn vor fünf in der Dienststelle auf. Sie hatten ihre Sonntagskleider an. Er trug einen passablen grauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte, sie ein geblümtes Kleid und Schuhe mit flachen Absätzen. Sie hatte sich sogar ein bisschen geschminkt. Sie war blond, hatte blaue Augen und eine gute Haut – irgendwann einmal war diese Frau sehr attraktiv gewesen, doch die Trauer hatte ihre Augen stumpf und die Falten drum herum tiefer werden lassen, so dass ihr Gesicht von den buschigen Augenbrauen dominiert wurde.
Farley war mittelgroß, schlank und hatte einen dichten Schopf weißer Haare auf dem Kopf. Decker hatte schon genug Männer wie Farley kennengelernt, um zu wissen, dass sie zäh und drahtig waren. Unter diesem Jackett und dem Hemd verbargen sich sehnige Arme, die gut zupacken konnten. Der Mann sah eher verrückt als bestürzt aus, aber Männer verarbeiteten ihren Schmerz oft auf diese Art und Weise.
Decker versorgte beide mit einer Tasse Kaffee und lotste sie zu den zwei Stühlen, die auf der anderen Seite seines Schreibtisches standen. Dann schloss er die Tür, setzte sich ebenfalls an seinen Schreibtisch und legte einen Notizblock bereit. Er befürchtete allerdings, dass ihre ganze Geschichte ein Fall von besonders starker Verleugnung war. »Bevor wir anfangen, Mr. und Mrs. Lodestone, möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen. Ihr Verlust tut mir sehr leid.«
»Ja, mir auch«, polterte Lodestone los, »und wenn Sie uns helfen wollen, dann bringen Sie diesen Hurensohn hinter Gitter.«
»Ich hatte bei ihm immer ein ungutes Gefühl«, fügte Shareen an.
»Sie meinen Ihren Schwiegersohn?«
»Natürlich«, sagte Shareen, »Ivan Dresden.«
Decker
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