Hackenholt 06 - Reichskleinodien
siebten Monat schwanger. Wir haben vor genau fünf Wochen geheiratet – ich glaube nicht, dass ich ihr jetzt schon auf die Nerven gehe.« Hackenholt merkte selbst, wie aggressiv er plötzlich klang. Früher wäre ihm das nicht passiert. Er schluckte. »Ich möchte Sophie und das Baby in meiner Nähe haben. Sie geben mir Halt.«
»Wie wäre es, wenn sich Ihre Frau zunächst einmal hier im Ort in einer kleinen Pension einmietet? Ich kenne eine ehemalige Physiotherapeutin, die in einem bezaubernden Häuschen am Waldrand wohnt und hin und wieder ein Zimmer vermietet. Auf diese Weise könnten Sie Ihre Partnerin täglich sehen und hätten gleichzeitig die Möglichkeit, sich nach den Therapien zurückzuziehen.« Sie legte den Kopf schief. »Lassen Sie es uns versuchen. Zumindest für die ersten zwei Wochen, dann sehen wir weiter.«
Hackenholt stieß einen Seufzer aus, nickte jedoch.
»Gut, ich werde das abklären und Ihnen schnellstmöglich Bescheid geben, wann Ihre Frau anreisen kann. Doch jetzt möchte ich Ihren Fragebogen mit Ihnen durchgehen. Sie haben einen Dienstunfall als traumatisches Ereignis angegeben. Was genau ist Ihnen widerfahren?«
»Ich bin Polizeibeamter und arbeite bei der Mordkommission. Anfang Dezember wurde ich durch einen fingierten Telefonanruf an eine einsame Stelle gelockt, wo mich drei Männer überfallen und verschleppt haben.«
Während er den Vorfall ausführlich schilderte, hielt er den Blick schuldbewusst auf seine im Schoß gefalteten Hände gesenkt. Es war ihm nach wie vor unangenehm, über das Erlebte zu sprechen, auch wenn er alles bereits mehrfach mit seinem Kollegen Manfred Stellfeldt und Oberstaatsanwalt Dr. Holm durchgegangen war. Die beiden Männer waren allerdings älter als er und hatten ihm mit ihrer väterlichen Art stets das Gefühl gegeben, sich in einer ausweglosen Situation befunden zu haben, gegen die er allein nichts hatte ausrichten können.
Im Stillen fragte er sich dennoch wieder und wieder, ob er nicht anders hätte reagieren müssen. Daneben irritierte es ihn ganz ungemein, dass er sich nicht bewusst an alle Details erinnern konnte – sein Unterbewusstsein aber ständig Momentaufnahmen heraufbeschwor. Diese Bilder wurde er nicht mehr los.
Freitag
Sechseinhalb Wochen später
Hackenholt lag auf der Wiese unter einem Baum. Es sah aus, als würde er schlafen, doch Sophie wusste, dass dem nicht so war – er war einfach nur entspannt. So entspannt, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte.
Er hatte sie offenbar bemerkt, denn er setzte sich auf und klopfte einladend neben sich auf die Decke.
Mit einem Seufzen ließ sich Sophie möglichst sanft auf den Boden gleiten – was mit ihrem Bauchumfang gar nicht so einfach war. Hackenholt beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss.
»Wie geht es Ronja?« Liebevoll streichelte er über den Kugelbauch und ließ seine Hand dann an der Stelle liegen, an der er die Füße des Babys schon öfter gespürt hatte, wenn es gerade eine Runde Kickboxen trainierte.
»Sie hat mich die halbe Nacht wach gehalten, dafür schläft sie tagsüber.«
»Vielleicht können wir sie überlisten, wenn du dich jetzt ein bisschen hinlegst?«
»Ich glaube, damit überlistest du eher mich als den Zwerg.«
»Bist du so müde?«
Sophie nickte.
»Gut, dann machen wir eben alle drei ein kleines Nachmittagsschläfchen.« Hackenholt lehnte sich zurück und zog Sophie an sich. »Ich habe heute mit Frau Dr. Schweiger gesprochen: Sofern sie nichts Gravierendes mehr zutage fördert, denkt sie, wir könnten Ende kommender Woche unsere Zelte hier abbrechen.«
»Wirklich?« Sophie war fast ein Jubelschrei entfahren. Deutlich verhaltener fragte sie: »Wie soll es denn zu Hause weitergehen?«
»So ganz genau weiß ich es noch nicht. Dr. Schweiger hat mir einen Kollegen in Fürth empfohlen, der mich ambulant behandeln könnte. Ich glaube, dass ich das machen werde. Zumindest eine Zeit lang. Tja und außerdem will mich mein Dienstherr allmählich auch mal wieder sehen.«
»Denkst du, du schaffst das?«, fragte Sophie behutsam. »Ich meine, kannst du dir vorstellen, jeden Tag ins Präsidium zu gehen?«
»Ich habe einen Brief von meinem Dezernatsleiter bekommen«, erzählte Hackenholt, ohne ihre Frage zu beantworten.
»Was will er?«
»Der Chef vom K26 geht demnächst in Ruhestand. Ich könnte mich um seine Stelle bewerben. Die Führungsriege würde mich nachhaltig unterstützen.«
»Du sollst Kommissariatsleiter werden? Ich dachte, dazu müsste man im
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