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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Minusgrade
schuld. Rasch verbarg ich die Hände in den Taschen, doch die Kälte wanderte
meine Arme hinauf, ließ mich am ganzen Körper schlottern.
    Ich versuchte, mich abzulenken, mich zu erinnern, was
genau eigentlich geschehen war, aber es kam mir vor, als lähmte die Kälte nicht
nur meine Finger, sondern auch mein Gehirn.
    Ich kann ihn spüren, neben mir. Seine heiße, raue
Hand, die schwer auf meinem Bauch liegt, dicht unter meinem Nabel und noch über
den ersten Haaren. Seine Wärme lässt meine Haut sanft kribbeln.
    Es ist dunkel draußen und ich überlege, ob er noch
mal mit mir schläft, wenn ich ihn jetzt küsse …
    Es kam mir vor, als hätte ich Danner erst vor ein paar
Stunden so dicht neben mir gespürt.
    Wie lange war es wirklich her? Eine Woche? Zwei? Drei?
    Ich zuckte zusammen. Irgendein Geräusch hatte mich in die
kalte Nacht auf das Hausdach zurückgeholt. Was war das gewesen?
    Ich drückte mich mit dem Rücken gegen das eiskalte Blech
des Lüftungsschachtes und hob automatisch die Hände, bereit, mich zu
verteidigen. Bewegungslos lauschte ich in die Finsternis, bildete mir ein,
schleichende Schritte zu hören. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen.
    War da wirklich jemand?
    Oder drehte ich gerade durch?
    Die alte Antenne wackelte im Wind. Bis auf das entfernte
Brummen des Verkehrs auf der A 40 blieb alles ruhig.
    Mein Rücken krampfte.
    Schließlich zwang ich mich, Luft zu holen.
    Ich hatte Halluzinationen. Verfolgungswahn. Wer außer mir
sollte mitten in der Nacht auf diesem Dach stehen?
    Vorsichtig versuchte ich, meine Schultern zu bewegen. Der
Krampf in meinem Rücken löste sich ein wenig. Erschöpft sank ich auf die Knie,
blieb an den Lüftungsschacht gelehnt sitzen und wartete darauf, dass sich mein
Puls beruhigte. Verdammt, was war ich für eine Memme geworden! Immer öfter
erschrak ich grundlos, zuckte zusammen, zitterte.
    Ich wurde verrückt.
    Und ich wunderte mich nicht einmal darüber.

    Â 

2.
    Ich saß hinter dem Steuer des alten VW Bulli. In der Eingangsnische
der Kneipe hatte sich der übliche Penner in seinen Parka eingerollt, ein
kleiner, schwarzer Hund kauerte auf seinem Schoß. Keine Ahnung, wie spät es war
oder wie lange ich schon in dem Wagen saß.
    Ich wusste nur eines: Ich würde nicht hineingehen. Nie
wieder!
    Ich presste beide Hände auf mein Brustbein, krallte die
Fingernägel so fest durch den Pulli hindurch in die Haut, dass es
möglicherweise blutete.
    Wie spät war es wohl?
    Wahrscheinlich noch vor Mitternacht, in der Kneipe
herrschte noch Betrieb. Warmes Licht fiel durch die Fenster auf das nass
glänzende Pflaster der Straße.
    Heiße Tränen rannen über mein Gesicht.
    War mir egal. Dieses Mal kapitulierte mein Stolz. Ich war
einfach nicht gewohnt, dass mir was wehtun konnte. Nicht mir! Ich war doch
immer unverwundbar gewesen.
    Ich würde nicht hineingehen.
    Auch nicht, um meine Sachen zu holen.
    Ich musste weg von hier.
    Ich ließ den Schlüssel im Zündschloss stecken und stieg
aus. Es regnete immer noch. Automatisch tastete ich in den Taschen meiner
Jacke. Mein neues Handy war da. Und mein Portemonnaie mit EC-Karte, Papieren
und fünfzig Euro.
    Ich zog den Reißverschluss meiner alten, blauen Cordjacke
zu und lief los.
    Keine Ahnung, wohin.
    Mal wieder.

    Â 
    Aber dieses Mal half es nicht wegzulaufen.
    Vor meinem gewalttätigen Vater und meiner lieblosen
Mutter hatte ich ausreißen können. Irgendwohin, wo sie mich nicht fanden. Vor
meinem Liebeskummer konnte ich nicht davonlaufen, der folgte mir. Das hatte ich
nicht gewusst. Schließlich hatte ich bisher sorgfältig vermieden, in so eine
Situation zu geraten.
    Bis jetzt.
    Scheiße.
    Ich stand vor einer Disco. Vor dem Eingang tranken ein
paar Jugendliche mit Kapuzen über den Köpfen Bier. Das war dieser Gammelladen
in der Nähe vom Krankenhaus.
    Egal, ich brauchte was zu trinken.
    Dumpfe Bässe dröhnten mir entgegen, als ich die Tür öffnete.
Bunte Lichter zuckten über Betonwände. Die Typen an der Bar trugen Halsbänder,
die eigentlich für Hunde bestimmt waren, und Haare, die ihre Gesichter wie Gardinen
verhängten. Eine Menschenmenge bewegte sich im Takt der Bässe auf und ab, als
würde sie ein unsichtbarer Magier lenken. Und die Bedienung im
Heavy-Metal-T-Shirt wischte Bierpfützen von Tischen und Fußboden.
    Beängstigend.
    Aber ich

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