Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
brummelt kaum hörbar.
»Einer muss es ja machen!«
»Du meinst e ine muss es ja machen!«
Püchel blickt flehend nach oben.
»Noch gibt es bei der Kriminalpolizei keine Frauenquote für die Befragungen in Fotogeschäften, liebe Kollegin Haman.«
»Dafür gab es hier schon immer eine Männerquote für dumme Sprüche!«
»Wie wär’s, wenn ihr beide einfach wahrnehmt, dass ihr Mann und Frau seid!«
Jan Swensen Stimme hat mit einem Mal eine sanfte Bestimmtheit. Doch als die beiden ihn daraufhin verständnislos ansehen, knurrt er: »Leute, könnt ihr euer Mann-Frau-Gerangel nicht nach Feierabend austragen?«
»Genau meine Rede!«
Heinz Püchel füllt seine Brust hörbar mit Luft.
»Wir müssen die mutmaßliche Leiche finden und dazu dürfen wir noch eine unerledigte Brandstiftung, zwei Körperverletzungen und Einbrüche aufklären! Swensen übernimmt vorerst die Fotoleiche, Mielke und Haman bleiben mit dran. Ich kümmere mich um den Hubschrauber. Der Rest weiß was er zu tun hat. Also, an die Arbeit, Kollegen und liebe Kollegin!«
In dem jetzt einsetzenden Gemurmel und Stühlerücken gibt Swensen per Handzeichen Stephan Mielke zu verstehen, dass er noch warten soll.
»Sag’ mal, Stephan, wie heißt noch der junge Neue bei den Streifenkollegen, dieser Computerfreak?”
»Jan-Erik Metz!«
»Gibt es Irgendetwas, wovon ich nichts wissen soll?«
Silvia Haman hat sich von hinten an die beiden Männer herangepirscht. Stephan zuckt erschreckt zusammen und dreht sich ärgerlich um.
»Nein, liebste Silvia!«, zischt er aufbrausend. »Wir arbeiten hier nicht beim Geheimdienst.”
»Und warum dann dieses konspirative Treffen, null null Mielke?«
»Silvia!« Mielkes Augen blitzen zwischen den leicht zusammengekniffenen Lidern. »Ich gebe ja zu, dass vor 6000 Jahren der Ackerbau von den Männern übernommen wurde und die Frauen sich deshalb mucksch hinter den Herd zurückzogen haben. Aber heute ist heute. Frauen dürften in der Zwischenzeit immerhin so qualifiziert sein, dass sie die Stelle einer Kriminalbeamtin auch ohne Komplexe ausfüllen können, oder?«
Silvia Haman starrt Mielke fassungslos an, ringt angestrengt nach einer Antwort, doch ihre sprichwörtliche Schlagfertigkeit scheint wie weggeblasen.
»Und noch eins, Silvia, und das gilt ein für alle Mal. Selbst wenn ich noch nicht lange dabei bin, sehe ich den IQ-Quantensprung ins kriminaltechnische Zeitalter für Frauen als abgeschlossen an.«
»Das versteh’ ich nicht.«
Silvia dreht sich Hilfe suchend zu Swensen. Der zuckt nur stumm mit den Achseln und es entsteht ein drückendes Schweigen. Er ist über Mielkes unvermittelten Ausbruch irritiert. Er hatte ihn in der kurzen Zeit ihrer Zusammenarbeit immer als eher unsicher erlebt. Warum plötzlich dieser vehemente Angriff gegen Silvia? Wie ist Mielkes Beziehung zu Frauen eigentlich, hat er überhaupt eine Beziehung? Im Grunde wissen wir nichts voneinander. Obwohl wir so viel Zeit miteinander verbringen, arbeiten wir meistens nur nebeneinander her.
Einsamkeit ist der Wassertropfen im Meer. Der Satz seines Meisters Lama Rhinto Rinpoche fällt Swensen ein und sein Blick verliert sich im Leeren. Er sieht sich, wie er vor über 30 Jahren mitten in einem buddhistischen Tempel eines kleinen Schweizer Dörfchens meditiert. In Hamburg hatte er kurz zuvor ein Philosophiestudium begonnen und war gerade im dritten Semester, als einige Kommilitonen ihn mit dem Spruchband ›Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren‹ aus seinem Studentenschlendrian befreiten. Ab da schaffte er nur noch weitere drei Semester und die 68er hatten ihm seine drohende spießige Karriere ausgeredet. Er schmiss sein Studium, wollte unbedingt seinem bürgerlichen Trott entfliehen um sich dann für drei Jahre in einer noch festeren Norm wieder zu finden. Vor Tagesanbruch aufstehen, waschen, zwei Stunden meditieren, Frühstück, wieder meditieren, Mittagessen und so weiter, Tag für Tag, Woche für Woche.
Bleib achtsam, sagt eine innere Stimme. Intuitiv bemerkt er im Augenwinkel, wie Mielke Luft holt, um zu einer wahrscheinlich neuen Attacke gegen Silvia anzusetzen. Mit ruhiger Stimme kommt Swensen ihm zuvor.
»Ich würde mich freuen, wenn wir in Zukunft bei der Arbeit alle ein wenig mehr in uns ruhen könnten.«
Um die Wirkung seiner Worte zu unterstützen setzt er eine gezielte Pause.
»Momentan haben wir genug andere Dinge zu tun, als die Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu ergründen.«
Dann dreht er sich zu
Weitere Kostenlose Bücher