Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Empfänge mit weniger Aufregung überstanden als das Familienessen am Sonntagabend bei den Quinns.
Sie brauchte Zeit, entschied sie, um alles zu analysieren. Sobald sie ihre Gedanken und Beobachtungen niederschreiben konnte, würde sie die Fakten ordnen, untersuchen und zu einer ersten Schlussfolgerung gelangen.
»Müde?«
Sybill seufzte. »Ein wenig. Es war ein ziemlich anstrengender Tag. Aufregend.« Sie stieß den Atem durch die Zähne aus. »Und kalorienreich. Morgen früh muss ich unbedingt den Fitnessraum im Hotel nutzen. Aber es hat mir Spaß gemacht heute«, fügte sie hinzu, als Phillip in der Nähe des Hoteleingangs parkte. »Sehr viel Spaß.«
»Gut. Dann bist du mit einer Wiederholung einverstanden?« Er stieg aus, schritt um die Motorhaube zur Beifahrerseite und nahm Sybills Hand, um ihr auf den Bordstein zu helfen.
»Du musst mich nicht hinaufbegleiten. Ich kenne den Weg.«
»Ich komme auf jeden Fall mit nach oben.«
»Ich werde dich nicht hineinbitten.«
»Ich bringe dich trotzdem zur Tür, Sybill.«
Sie gab nach, ging an Phillips Seite durch die Hotelhalle zum Aufzug und trat mit ihm hinein, als sich die Türen öffneten. »Du fährst also morgen früh nach Baltimore?« fragte sie und drückte den Knopf für ihr Stockwerk.
»Heute Abend. Wenn hier alles einigermaßen läuft, fahre ich sonntagabends. Es herrscht kaum Verkehr, und ich kann am Montag früher anfangen.«
»Es muss schwierig für dich sein zu pendeln, deine Zeit zwischen Baltimore und hier aufzuteilen, und dann das Tauziehen um die Verantwortung für Seth.«
»Viele Dinge sind nicht leicht. Aber es lohnt sich, dafür zu arbeiten.« Phillip streichelte Sybills Haar. »Ich gebe meine Zeit gern für etwas, das ich genieße.«
Sybill räusperte sich. In dieser Minute öffneten sich die Aufzugstüren, und sie trat rasch nach draußen. »Ich weiß die Zeit und die Aufmerksamkeit zu schätzen, die du mir heute geschenkt hast.«
»Donnerstagabend bin ich zurück. Ich möchte dich sehen.«
Sybill zog die Codekarte für ihre Zimmertür aus der Handtasche. »Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich gegen Ende der Woche tun werde.«
Als Antwort nahm Phillip ihr Gesicht zwischen die Hände, kam näher und verschloss ihre Lippen mit seinem Mund. Ihr Geschmack, dachte er. Er schien nicht genug davon zu bekommen. »Ich will dich sehen«, murmelte er an ihren Lippen.
Sybill war immer Meisterin darin gewesen, eine Situation zu beherrschen und sich Verführungsversuchen zu widersetzen. Aber bei Phillip hatte sie das Gefühl, mit jedem Mal ein wenig tiefer und fester in seinen Bann zu geraten.
»Ich bin nicht bereit für so etwas«, hörte Sybill sich sagen.
»Ich auch nicht.« Trotzdem zog er sie näher, presste
sie fester an sich und ließ zu, dass der Kuss sich zur verzweifelten Leidenschaft steigerte. »Ich will dich. Vielleicht ist es gut, wenn wir ein paar Tage Zeit haben, um darüber nachzudenken, was als Nächstes geschehen soll.«
Erschüttert und voller Verlangen blickte Sybill zu ihm auf. Was in ihrem Inneren vor sich ging, bereitete ihr nicht wenig Angst. »Ja, ich glaube auch, das ist gut.« Als sie sich umwandte und die Karte in den Schlitz schob, musste sie beide Hände benutzen. »Fahr vorsichtig.« Sie trat ins Zimmer und schloss sofort die Tür. Den Rücken dagegen gelehnt, wartete sie, bis ihr Herz den Brustkorb nicht länger zu sprengen drohte.
Es war Wahnsinn, dachte sie, kompletter Wahnsinn, in diesem Tempo weiterzumachen. Sie war zu ehrlich mit sich selbst und zu sehr Wissenschaftlerin, um ein Ergebnis durch inkorrekte Daten zu verfälschen. Was mit ihr und Phillip Quinn geschah, hatte mit Seth nicht das Geringste zu tun.
Dieser Wahnsinn musste sofort aufhören. Sybill schloss die Augen und spürte ihre Lippen dort pulsieren, wo Phillip sie geküsst hatte. Sie hatte Angst davor, dass es unmöglich sein würde aufzuhören.
KAPITEL 8
Es war ein wenig riskant, möglicherweise sogar rechtswidrig, dachte Sybill. Vor der Mittelschule von St. Christopher herumzulungern, kam ihr jedenfalls irgendwie ungesetzlich vor, so sehr sie sich auch einredete, es sei nichts dabei.
Schließlich spazierte sie am hellen Nachmittag lediglich eine öffentliche Straße entlang. Sie wollte Seth ja nicht auflauern oder entführen, sondern nur mit ihm reden, ein bisschen Zeit mit ihm verbringen.
Sybill hatte bis zur Wochenmitte gewartet, Montag und Dienstag die Schule aus sicherer Entfernung beobachtet, um seine Gewohnheiten und Zeiten
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