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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ihm gerade etwas eingefallen, näherte sich dem Fenster und sah hinaus. Lächelnd kehrte er wieder an den Tisch zurück, legte ohne Hast das Messer nieder und ging mit verschränkten Armen rückwärts, ohne die Augen von Vito zu nehmen, bis seine Schultern erneut die Wand berührten.
    »Was soll dieses Theater?« fragte Vito verwundert.
      »Das hättest du mir auch früher sagen können«, meinte Peppi ganz ruhig, »daß du Augenzeugen mitgebracht hast. Da draußen sind zwei, die miteinander reden und das Haus beobachten. Also Vituzzo, nur Mut, wofür willst du mir die Schuld geben? Was sollen die beiden denn erzählen? Was willst du tun, Vituzzo, bringst du mich um, läßt du mich von denen da beiseite schaffen, oder willst du dafür sorgen, daß ich dreißig Jahre sitze?«
      Kaum hatte er zu Ende gesprochen, hielt er schon wieder das Messer in der Hand, aber an der Klinge, den Arm in Richtung Vito gestreckt.
      »Nimm du es«, sagte er. »Es ist deins. Du bist jetzt an der Reihe.«
    »Also gibst du mir recht. Du bist es gewesen, der …«
      »Nein. Ich habe dir nichts getan. Aber das Messer mußt du nehmen, es ist besser so. Wenn ich es weiter in der Hand halte, passiert noch ein Unglück.«
      »Das Unglück hast du in den Hörnern«, sagte Vito, der seit fünf Minuten nichts mehr von dem begriff, was der andere tat. »Reiz mich nicht, Peppi, wenn ich das Messer tatsächlich nehme, werde ich mich vergessen.«
    »Zuerst aber mußt du mir sagen, warum. Denn ich schwöre dir – und ich habe nichts dabei zu verlieren –, daß ich es nicht gewesen bin, und das weißt du. Ich habe weder auf dich geschossen noch mit deinen Hühnern das gemacht, was du behauptest. Sprich jetzt.«
      Vito bohrte seine Augen in die des anderen, als wollte er sie durchlöchern, und begriff im selben Augenblick an Peppis standhaftem Blick, daß er alles falsch machte. Dieses Mal war er es, der einen Sprung ans Fenster machte. Draußen stand ein Mann, den er noch nie im Dorf gesehen hatte. Er wirkte wie ein Vorstehhund. Sein Kumpel, den Peppi gesehen hatte, mußte sich wohl versteckt haben, vielleicht lauerte er ihm hinter der Tür auf. Die echte Angst, die er bis zu diesem Augenblick von sich hatte fernhalten können, senkte sich jetzt schwer wie eine dichte Haube auf ihn herab: Ganz deutlich erkannte er, daß er mit seinen Anschuldigungen gegen Peppi vor allem sich selbst etwas hatte vormachen wollen; in Wirklichkeit aber war ihm vom ersten Augenblick an klar gewesen, daß Peppi nichts mit der Geschichte zu tun hatte, und am Ende hatte er es doch geglaubt, wie ein Krebskranker, der sich einreden will, nur an einer Erkältung zu leiden.
      »Du sagst nichts?« fragte Peppi hinter ihm. »Also spreche ich.«
      Er zog die Tischschublade auf, legte das Messer hinein und setzte sich hin. Vito blieb am Fenster stehen.
    »Als ich im Gefängnis war, kam meine Mutter nach einem Jahr und erzählte mir, daß Giovannina vom Pfad der Tugend abgekommen sei. Zuerst wollte ich das meiner Mutter nicht abnehmen, denn sie hat meine Frau noch nie leiden können. Dann aber erzählten mir Freunde genau dasselbe. Was hätte ich tun sollen? Mir waren die Hände gebunden, und ich mußte das Gift schlucken. Ich habe sie nicht mehr sehen wollen und sie wissen lassen, daß ich – Weg finden würde, sie umzubringen, auch wenn ich in Ketten lag. Nach einigen Jahren Kerker habe ich nicht mehr an Giovannina gedacht, nur hin und wieder brannte die Schmach. Als ich entlassen wurde, ließ Corbo mich rufen, um mir zu sagen, falls ich gierig darauf sei, Hurenfleisch zu essen, könne ich es mir zu einem günstigen Preis kaufen – die heimliche Schlachtung sei nämlich verboten. Doch eines Tages bin ich zufällig über sie gestolpert und konnte seitdem keine Ruhe mehr finden. Das ganze Dorf bediente sich bei ihr, du warst die Nummer eins, und ich sollte nichts davon haben? Ich, zu dem sie von Gesetzes wegen immer noch gehörte?«
      »Ich bin hinterher zu ihr gegangen, nach den anderen«, sagte Vito.
      »Das interessiert mich nicht. Eines Nachts habe ich sie dann besucht. Als sie mich erkannte, wurde sie weiß wie ein Leichentuch. ›Ich tu dir nichts‹, habe ich zu ihr gesagt. Sie warf sich, ohne mich anzusehen, wie ein Tier aufs Bett und machte die Beine breit. Doch erst bin ich noch einmal hinausgegangen und habe sie geheißen, mir das Fenster, das ebenerdige, aufzumachen. Durch das bin ich in jener Nacht hineingeschlüpft, und das ist weiterhin

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