Hahn im Korb.
Trage klettern zu dürfen. Hatten sie den ersehnten Platz eingenommen, stellten sie sich in Pose, die Kinder hockten dem Heiligen zu Füßen, das Familienoberhaupt stand auf einer Seite, den Arm freundschaftlich um die Schultern der Statue gelegt, die Gemahlin mit der Handtasche in den Fingern auf der anderen. Während der Fotograf hinter dem Stativ die Aufnahme schoß, baten die Mitglieder der porträtierten Familie den Heiligen um seine Gunst und flüsterten ihm ins Ohr, welches Weihgeschenk sie ihm machten: Er jedoch kümmerte sich nicht darum. Den Blick auf das aufgeschlagene rote Buch in seiner Rechten gerichtet, umklammerte er mit der linken Hand einen knorpeligen Stock; das Haupt stets gesenkt, ließ er es nicht zu Vertraulichkeiten kommen. Als das Fotografieren zu Ende war, hatten die Träger ohne größere Anstrengung die enorm schwere Trage hochgehievt, sie auf ihre Schultern gesetzt und waren damit losgerannt. Der Heilige ging schließlich, wie jeder wußte, im Eilschritt, da er stets viele Dinge zu erledigen hatte. Den Anfang des Zugs bildeten die Priester, die sich mit wehenden Kutten bemühten, mit dem forschen Schritt mitzuhalten, hinter ihnen kamen die ausgelassenen Trommler und danach die Gläubigen. Von den Balkonen, die mit bestickten Decken von der Aussteuer geschmückt waren, regnete es Brotscheiben, und bei jedem neuen Wurf bildete sich ein Wald aus Händen, der flugs wieder verschwand, die Armen eilten zu Hunderten aus den nahe gelegenen Dörfern herbei, und Dankgeschrei erfüllte die Luft. Von Zeit zu Zeit gab ein Glöckchen den Heiligenträgern zu verstehen, daß eine besondere Spende zu erwarten war. Dann wurde der Heilige mit Mühe gestoppt. Wegen des schnellen Tempos hielten es die Lastträger wie die Pferde, wenn sie bergabwärts gehen: den Leib nach hinten und die Beine nach vorne gestemmt. Wer die Gnade erhalten hatte, kam auf die Straße herunter und befestigte seine Weihgabe in Form von Banknoten an den langen roten und azurblauen Bändern, die von den Armen der Statue hingen. Wenn die Bänder voll waren wie Fliegenfänger im Viehstall, nahm ein Mitglied des Festkomitees einen Sack und stopfte das Geld hinein. Die Besitzer der Tavernen waren angehalten, nicht zu schließen – Pietro Savio hatte es einmal probiert, worauf man ihm mit den Stangen der Trage im Katapultflug die Tür einrammte – und mußten den Trägern bei jedem Halt gratis Wein nach Belieben ausschenken. Ein Glas stand jedesmal dem Heiligen zu: Nach drei oder vier Haltestationen, bei denen die Lippen der Statue mit Wein beträufelt wurden, lief schließlich ein rotes Rinnsal aus San Calogeros Mund. Mit dem Weinbächlein, das aus seinem Mund floß, und wegen des torkelnden Gangs der Träger sah der Heilige gegen fünf Uhr nachmittags aus wie ein Besoffener, der sich nicht mehr auf den Beinen hält. Hin und wieder kreischte einer der Lastträger oder ein Witzbold aus der Menge, dem Heiligen sei es zu warm, ob man denn nicht sehe, wie er schwitze? Also mußte er abgetrocknet werden: Sie hielten an, ließen die Trage herunter, zogen ein gepunktetes Rotztuch aus der Tasche und rubbelten ihm damit heftig das Gesicht ab. An jenem Tag geriet Seine Exzellenz völlig aus dem Häuschen, als er mit ansehen mußte, wie einer der Träger – einer der Strenggläubigen – das Gesicht des Heiligen mit einer miauenden und kratzenden Katze abwischte, die auf der Brüstung eines ebenerdigen Fensters gesessen hatte.
Während die Prozession die Straßen des Zentrums verließ, wo die Bürgerleute wohnten, um in die Gassen des Ortsrands vorzudringen – immer noch im Eilschritt, nach stundenlangem Marsch, Mütter hatten Mühe, die Kiemen beiseite zu schaffen, damit sie nicht umgerannt wurden –, begann der Heilige mit seinen akrobatischen Kunststückchen, um sich seinen Weg selbst durch die allerengsten Gassen zu bahnen: Er stellte sich quer, zu drei Vierteln schräg, auf den Kopf und gelangte stets dorthin, wo irgendein Kranker wohnte, der ungeduldig seiner Ankunft harrte. Je tiefer die Trage in die Straßen der Armen drang, die von ihren Bewohnern aus Verzweiflung mit den liebevollsten Namen benannt worden waren – Honiggasse, Zuckertreppe, Paradiesplätzchen –, desto schwerer lastete die Traube von Kindern, die darauf saßen – taubstumme, verkrätzte, triefäugige, gelbsüchtige Kinder. Die ohnehin schon große Pein Seiner Exzellenz wurde gegen Abend noch größer. Eine Abteilung von Negersoldaten, die von den Amerikanern zur
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