Hahn im Korb.
Minuten auf die Landstraße geschickt, damit er Vito im Auge behalten kann, falls er aufs Feld geht.«
Er tat einen Seufzer: »Dieses Brot ist einfach
paradiesisch.«
»Paradiesisch«, stimmte Carbone bei. »Gestern abend«, sagte er nach einer Pause, »als ich Sie allein gelassen habe, bin ich auf einen Kaffee zu Masino gegangen.
Dort war auch Pasquale Cascino, der die Runde unterhielt.«
»Was erzählte er?«
»Daß Vito in der Tinte hockt, weil er mit Giovannina, der Frau von Peppi monacu, rummacht.«
»Ich weiß«, sagte der Maresciallo.
»Pasquale meinte, es sei seltsam, daß Peppi erst nach so langer Zeit reagiert, doch bei Gehörnten könne man ja nie wissen.«
»Damit habe ich gerechnet«, sagte Corbo nachdenklich.
»Haben auch Sie an Peppi gedacht?«
»Ich? Nicht im Traum. Gib mir noch eine Scheibe.«
Carbone bediente ihn und schenkte sich bei der Gelegenheit noch ein Glas Marsala nach.
»Also, womit haben Sie dann gerechnet?«
»Daß sie diese Geschichte mit ins Spiel bringen. Zeit haben sie wahrlich genug verstreichen lassen. Für den Fall, daß das, was sie im Schilde führen, schiefgeht, halten sie jetzt schon den armen Peppi als Sündenbock in Reserve, damit der die Sache ausbadet. Wenn du noch einmal diese Geschichte aus dem Munde von Pasquale Cascino hörst, sag ihm, er soll herkommen und sie mir erzählen, dann werd' ich ihm schon stecken, daß er noch an Märchen glaubt. Diese Sache, lieber Carbone, hat sich ein echter Meister seines Fachs ausgedacht, kein Peppi monacu. Aber weißt du was? Dieses Brot ist das reinste Wunder!«
»Bedienen Sie sich ruhig«, meinte Carbone und stellte
den ganzen Brotkorb vor ihm auf den Schreibtisch.
Er lag auf dem Bauch, den Hals zur Seite gebogen, einen Arm um den Kopf gelegt, der andere lag neben der Hüfte. Auf den wenigen Zentimetern Erdboden, die er durch die Armbeuge sehen konnte, sah er einen Wurm und einen Grashalm. Der Wurm – einer von der fetten, weißen Sorte, wie man sie unter Steinen findet – hatte sich vorgenommen, den Grashalm hinaufzuklettern. Zuerst hob er das Köpfchen, als wollte er die Länge des Halms abschätzen, dann begann er, sich mit seinen winzigen Greiffüßen, die dünner als ein Haar waren, den Halm hinaufzuwinden. Ein Stück weit schaffte er es auch, doch auf halber Höhe angelangt, bog sich der Grashalm langsam nach unten. Der Wurm gab nicht auf und setzte mühsam seinen Aufstieg fort. Mit einemmal aber berührte der gebogene Halm, ohne abzubrechen, den Boden, und der Wurm klatschte trotz mühsamer Versuche, das Gleichgewicht zu wahren, böse auf die Erde. Er wand sich hin und her, doch sobald er wieder kriechen konnte, kehrte er zum Halm zurück. Das war zum Verrücktwerden, und Vito hatte Lust, ihn zu zerquetschen, doch er konnte sich nicht rühren. Die zwei Läufe der lupara in seinem Rücken hielten auch ihn gegen den Boden gequetscht: »Wenn du eine Bewegung machst, bist du tot« hatte der maskierte Mann zu ihm gesagt, dessen Stiefel er von Zeit zu Zeit sehen konnte. Die Sonne brannte. Seit einer Weile hatte Vito aufgehört, sich zu fragen, wann er endlich abdrücken würde. Bis er auf einmal davon überzeugt war, daß auch der Mann hinter ihm den Wurm beobachtete: Fall, fall runter, ich bitte dich, flehte er ihn in Gedanken an, und der Wurm hatte ihn möglicherweise verstanden, denn auf halber Strecke drehte er sich um und sah ihn an, als wollte er ihm raten, die Ruhe zu bewahren, denn auch dieses Mal würde es bestimmt so enden wie die Male davor. Doch dem war nicht so. Der Halm bog sich nicht, schien hart wie Stein geworden zu sein, und Vito verspürte Lust, tief durchzuatmen, der Grashalm bewegte sich nicht. Seelenruhig erreichte der Wurm die Spitze und stieg noch ein Stückchen weiter. »Dieses Mal hat er's geschafft«, sagte der Mann mit dem Gewehr und schoß.
Er sprang aus dem Bett, im Zimmer hallte noch das Echo des Lauts wider, den er ausgestoßen hatte, als der Mann im Traum auf ihn feuerte. Gleich bei seiner Rückkehr nach Hause hatte er sich aufs Bett geworfen, um sich fünf Minuten auszuruhen, aber der Schlaf hatte ihn übermannt. Plötzlich klopfte es heftig an der Tür, er öffnete, und wie tags zuvor stand Pinuzzo vor ihm.
»Was machen Sie heute morgen?«
»Ich komm' ja schon«, erwiderte Vito, »ich wasch' mir gerade das Gesicht, dann komme ich.«
Die Landstraße sah an dem Tag aus wie der Corso. Scharen von festlich gekleideten Menschen zogen aus den
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