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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Besonderes. Ein Indianerfilm.«
    »In Farbe?«
    »Nein.«
    Das war eine Notlüge, der Streifen war ein richtiggehendes Feuerwerk von Kitschfarben gewesen, doch Vito wußte, daß er dem Alten damit wehgetan hätte. Als kleiner Bub hatte er lange auf seinen Knien gespielt, als Mammarosa der ewige »Lagerjunge« seines Vaters gewesen war. Und so hatte es sich eingebürgert, daß er ihn – wenn er auf ihn zu sprechen kam – weiterhin »den Jungen meines Vaters« nannte – auch dann, als er nach dem Tod des Vaters und der endgültigen Schließung des Holzhandels mit angesehen hatte, wie Mammarosa von Jahr zu Jahr immer grauer und gebeugter wurde und schließlich erblindet war. Umgekehrt war er für Mammarosa immer Vituzzo geblieben. Mit der Zauberkraft dieses Koseworts aus der Vergangenheit gelang es dem Alten mit einem Schlag, Vitos Fettansatz, den fortgeschrittenen Haarausfall, die schlechten Augen vergessen zu machen und ihm den jungen Körper eines Zehnjährigen wiederzugeben. Die fehlende Sehkraft hatte in dem alten Mann schließlich ein ganz neues Gefühl entstehen lassen: Vito spürte, daß Mammarosas Respekt ihm gegenüber seit einiger Zeit väterlich besorgte Züge angenommen hatte. Jeden Monatsersten stellte deshalb die Testament für Mammarosas hündische Treue festgelegt hatte, ein umständliches Zeremoniell dar, das sie beide schnell hinter sich bringen wollten.
    »Brauchst du etwas?«
      »Nein, danke. Mach's gut«, erwiderte Vito beim Fortgehen und fragte sich mit einem Lächeln, wozu dieser Schatten von einem Mann im Notfall überhaupt noch taugte.

    »Also«, sagte Corbo, »bringen wir die Sache auf den Punkt. Du behauptest, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben.«
      »Nein, der Herr, ich hab' ihn zuvor noch nie gesehen«, bestätigte der Bauer, und um seinen Worten, die ihm, kaum hatte er sie ausgesprochen, völlig kraftlos vorkamen, mehr Nachdruck zu verleihen, legte er seine Hand ein Stückchen oberhalb des Magens auf die Stelle, wo das Gewissen seinen Sitz haben soll.
    »Vor was?«
    »Bevor ich ihn tot aufgefunden hab'.«
      »Er hieß Mirabile Gaetano und war Schafhirt. Wie kann es möglich sein, daß ihr euch noch nie begegnet seid?«
    »Noch nie.«
    »Richtig, wir sind hier ja schließlich in New York, das zehn Millionen Einwohner hat und wo man nicht einmal weiß, wer im Stock unter einem wohnt.« Er trat auf den Bauern zu und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. »Du wußtest sogar, mit Verlaub gesagt, wie viele Haare der am Arsch hatte.« Dann klopfte er ihm zweimal freundschaftlich auf den Arm, ging hinter seinen Schreibtisch und setzte sich. »Das heißt also, wir werden die ganze Nacht hier verbringen«, sagte er.
      Der Bauer rückte auf seinem Stuhl hin und her. Schon bevor er in die Kaserne gerannt war, war ihm klar gewesen, daß dieser Tote seinen Untergang bedeuten würde. Mit dem Gesetz war es aus dem einen oder anderen Grund immer eine Sache ohne Ende.

    Als Vito um die Ecke gebogen war und die kleine Piazza in etwas hellerem Licht vor ihm lag, sah er sofort, daß er die Balkontür seines Zimmers offengelassen hatte. Er ärgerte sich mächtig über sich selbst: Um überhaupt ein Auge schließen zu können, mußte er jetzt erst den Schnaken den Kampf ansagen, und es bestand nicht der geringste Zweifel, wer dabei als Sieger hervorgehen würde. Auch der Balkon nebenan stand sperrangelweit offen. Unweigerlich fiel sein Blick auf Frau Tripepi, Witwe des Bahnhofsvorstands; sie saß auf einem Sessel, der wohlweislich zum Wohnungsinnern hin gerückt war, damit die Leute ja nicht glaubten, sie litte unter Hitzewallungen ganz anderer Art und stellte sich deswegen zur Schau.
    Als Vito an seiner Haustür ankam, steckte er die Hand in die Hosentasche, um den Schlüssel herauszuholen. Da explodierte hinter seinem Rücken ein Schuß wie ein Kanonenschlag, und der Verputz an dem Wandstück zwischen der Tür und dem Balkon der Witwe Tripepi bröckelte ab und rieselte als Staub auf ihn nieder. Vitos Gehirn brauste wie ein stürmisches Meer, als er in Betstellung auf die Knie ging. Er betete tatsächlich, wenngleich das Gebet noch nicht sein Bewußtsein erreicht hatte. Aus dem tiefen Verlies seiner Erinnerung zerrte er die Worte des Bußgebets hervor, eins nach dem anderen, die er zusammen mit den ersten schuldvollen Gedanken bei den sonntäglichen Gottesdiensten gelernt hatte:
      Und in diesem Augenblick trafen ihn der Klang der Worte und ihre Bedeutung, als wäre er von

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