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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ein Uhr nachts«, sagte Corbo, »und man schwitzt, als wäre es ein Uhr mittags.«
    Er lehnte am Fenster, den Rücken der Straße zugewandt;
    der Bauer aber saß schön ordentlich an einem kleinen Tisch, und sein Blick klebte am Porträt des Staatspräsidenten Saragat an der Wand. Tognin, dem die Müdigkeit und die Aufregung in die Knochen gefahren waren – es war sein erster Mord – saß an einem Schreibmaschinentisch, auf dem eine antiquierte Olivetti, die mit dem Untersatz aus Holz, thronte. Doch es gab nichts zu protokollieren. Corbo redete um den heißen Brei herum. Der Bauer fühlte sich wegen der Schleichtaktik des Maresciallo ganz und gar nicht wohl in seiner Haut: Nach so langer Warterei würden die Peitschenhiebe der Sbirren, wenn sie sich dann mal dazu entschlossen zuzuschlagen, um so schmerzhafter sein.

    Nur für ein paar Minuten hatte er im Café von Masino haltgemacht, aber das genügte schon: über das Dorf senkte sich bereits tiefe Nacht. In der Ferne, am Ende des Corsos erkannte er undeutlich die Umrisse von Pasquale, der sich raschen Schrittes entfernte. Von Vasalicò war keine Spur zu sehen. Die meisten Balkonläden standen noch offen und würden auch die ganze Nacht über offenbleiben, doch jetzt waren nur noch wenige Leute auf, um etwas frische Luft zu schnappen.
      Vito nahm die Straße, die zu seinem Haus führte. Sie war schmal und schlecht beleuchtet. Das erste Stück quetschte sich zwischen der baufälligen Kathedrale und dem Marmor des Rathauses aus der Zeit des Faschismus hindurch, und einige Meter weiter wurde die Gasse enger. Rechts und links standen unverputzte Mauern von alten zwei- bis dreistöckigen Häusern, und in Augenhöhe konnte man das quirlige Treiben verfolgen, das sich im Innern der ebenerdigen, winzigen Behausungen abspielte, und die verschiedenen Gerüche wahrnehmen.
    Seit einigen Jahren wuchs das Dorf zum Hang hin, wo sogar zehnstöckige Häuser in die Höhe geschossen waren. Eine Zeitlang hatte man gehofft, daß diese neuen Wohnungen mit verhältnismäßig niedriger Miete die Leute überzeugen könnten, ihre ebenerdigen Behausungen aufzugeben, deren einzige Luftzufuhr die Eingangstür war, die zwangsläufig immer offenstand. Doch es gab einfach keine Unternehmer, die – hätten sie ein noch so großes Herz für ihre Mitmenschen gehabt – die Mietpreise hätten derart senken können, daß sie den Tiefstand in den wäre es schwierig gewesen, sie dazu zu bringen, ihr gedrängtes Familienleben aufzugeben, das in gewisser Hinsicht Sinn und Stärke ihres Daseins ausmachte.
      In jeder dieser ebenerdigen Katen hausten wahre Großfamilien, die sich aus drei oder vier Generationen und sogenannten engeren Verwandten zusammensetzten. Als eng galten sie aufgrund des Platzes, auf dem sie gezwungen waren zu leben. Zu jeder Familie gehörten jeweils noch eine Katze, oft eine Ziege, zuweilen auch ein Esel. Der Wirtschaftsboom, den sie von fern gerade noch mitbekommen hatten wie das schwache Explodieren eines Knallfroschs aus vielen Kilometern Entfernung, war dafür verantwortlich, daß der Raum in zahlreichen Behausungen noch weiter schrumpfte, um dem Fernseher Platz zu machen.
    Auf der Höhe der letzten Hütte rechter Hand hörte Vito,
    noch bevor er auf die kleine Piazza abgebogen war, an der er wohnte, daß Mammarosa wie jeden Abend nach ihm rief. Er trat auf die Schwelle und mußte seine Augen erst an die Finsternis im Innern gewöhnen. Mammarosa saß auf einem wackligen Strohhocker; sein weißes Oberhemd – Vito wußte, daß es blütenrein war, denn die Sauberkeit war für diesen Mann immer schon oberstes Gebot gewesen, zuerst aus Eitelkeit, dann aus echter Notwendigkeit – war ein heller Punkt in der Dunkelheit; einen anderen Lichtfleck bildete sein schneeweißer Kaiser-Wilhelm-Bart.
    »Was erzählt man sich heute abend denn so im Café?«
      »Ich war nur kurz dort. Ich hatte mir überlegt, besser ins Kino zu gehen.«
    »Was wurde gezeigt?«
    Mammarosa erhob sich und ging zielsicher auf Vito zu. Die chronische Bindehautentzündung hatte nach und nach sein Sehvermögen geschwächt, bevor dann vor einigen Jahren die endgültige Nacht über ihn hereingebrochen war. Vielleicht war es dieses langsame Abschiednehmen vom Tageslicht gewesen, das ihn jetzt auf diese sonderbare Art bei jedem Schritt und jeder Geste Entfernungen und Raummaße sicher einschätzen ließ. Er wirkte wie ein Hund, der die jeweilige Person an deren Geruch und an deren Gangart erkennen kann.
    »Nichts

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