Halo 02 - Die Invasion
Gefühl von Scham war so überwältigend, dass der Private sich so weit wie möglich wegdrehte. Bevor die Wachen seine Hände an die Wand gekettet hatten, hatte er gestenreich um einen Spiegel gebeten. Ein wohlmeinender Corporal brachte ihm einen und hielt ihn vor sein zerstörtes Gesicht. Der Corporal hatte es mit der Angst gekriegt, als Jenkins zu schreien versuchte. Der erste Selbstmordversuch hatte dreißig Minuten später stattgefunden.
McKay warf einen Blick auf die trockenen, aufgesprungenen Lippen des Gefangenen und fragte sich, ob er vielleicht durstig war. Sie bat um etwas Wasser und betrat die Zelle mit dem Behälter.
„Bei allem Respekt, Ma’am, aber das sollten Sie besser lassen“, sagte der Sergeant nervös. „Diese Bastarde sind extrem gewalttätig.“
„Jenkins ist ein Private der UNSC-Marines“, antwortete McKay deutlich. „So wird er angesprochen. Ich habe Ihren Einwand vermerkt.“
Dann, wie eine Lehrerin, die vor einem ungehorsamen Kind steht, hob sie die Kanne vor Jenkins’ Gesicht und ließ das Wasser darin schwappen.
„Hörst du?“, fragte sie. „Wenn du dich benimmst, bekommst du was zu trinken.“
Jenkins versuchte sie zu warnen, versuchte ein „Nein“ hervorzubringen, aber er hörte sich nur stammeln. McKay missverstand das Geräusch, schraubte den Behälter auf und wollte sich gerade vorbeugen, als die Kreatur angriff. Jenkins fühlte, wie sein linker Arm brach, als die Kette zurückschnappte, und kämpfte gegen den Versuch des anderen an, die Offizierin mit den Beinen zu umschlingen.
McKay trat genau im richtigen Moment zurück und entging den sie attackierenden Beinen.
Mit einem klickenden Geräusch schob der Wächter eine Patrone in das Schrotgewehr und zielte auf den Private. McKay stoppte ihn mit einem Ruf und hob die Hand. Der Soldat gehorchte, richtete die Waffe jedoch weiterhin auf den Kopf der Kampfkreatur.
„Okay“, sagte McKay und sah dem Wesen in die Augen, „wie du willst. Aber ob es dir gefällt oder nicht, wir werden uns unterhalten.“
Silva betrat die Zelle und blieb hinter Lieutenant McKay stehen. Der Sergeant sah den Major nicken und zog sich in eine Ecke zurück, senkte die Waffe aber nicht.
„Mein Name ist Silva“, begann der Major. „Lieutenant McKay kennen Sie ja bereits. Uns beiden tut es unendlich Leid, was Ihnen zugestoßen ist. Wir wissen, wie Sie sich fühlen müssen, und wir werden dafür sorgen, dass Sie die beste medizinische Versorgung des UNSC erhalten. Zuerst müssen wir jedoch von diesem Ring runter. Ich habe eine Vorstellung, wie uns das gelingen könnte, doch dazu brauchen wir Zeit. Wir müssen diesen Berg halten, bis wir unseren Plan umsetzen können. Da kommen Sie ins Spiel. Sie wissen, wo wir sind, und Sie kennen die Bewegungen der Flut. Wenn Sie an meiner Stelle wären und diese Basis gegen die Flut verteidigen müssten, worauf würden Sie Ihr Hauptaugenmerk richten?“
Der Andere ergriff mit seiner rechten Hand die linke, zog kräftig und stieß einen gebrochenen Knochen durch die Haut. Er schien ihn als Messer benutzen zu wollen, denn er machte einen Satz nach vorn. Die Ketten hielten ihn zurück. Jenkins fühlte unglaublichen Schmerz. Beinahe hätte er das Bewusstsein verloren, aber er kämpfte dagegen an.
Silva betrachtete McKay und hob die Schultern. „Den Versuch war es wert, aber er ist schon zu stark weggetreten.“
Jenkins erwartete, dass der Andere sich erneut in die Ketten werfen würde, aber er hatte den Schmerz des Menschen geteilt und zog es vor, sich zurückzuziehen. Der Mensch füllte rasch die Lücke aus, gab Laute von sich und zeigte auf Silvas rechten Stiefel.
Der Offizier sah nach unten, runzelte die Stirn und wollte gerade etwas sagen, als McKay seinen Arm berührte. „Er zeigt nicht auf Ihren Stiefel, Sir, er zeigt nach unten. Auf das Gelände unter dem Berg.“
Silva spürte eine plötzliche Kälte in seinen Adern. „Stimmt das, Junge? Ist die Flut direkt unter uns?“
Jenkins nickte heftig, rollte mit den Augen und brabbelte unverständliches Zeug.
Der Major nickte und richtete sich auf. „Danke, Private. Wir überprüfen den Keller und werden uns dann noch einmal mit Ihnen unterhalten.“
Jenkins wollte nicht reden, er wollte sterben, doch das interessierte niemanden. Die Wachen verließen die Zelle, die Tür wurde geschlossen, und er blieb mit nichts außer einem gebrochenen Arm und einem Außerirdischen in seinem Kopf zurück. Irgendwie war er, ohne zu sterben, in der Hölle
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