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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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in der Tasche.“
    Guter Vorsatz, ohne Frage. Doch sagt nicht schon mein irisches Lieblingssprichwort: „Der Mensch plant. Gott lacht.“
    Gott lachte seit zwei Stunden und 50 Minuten. Vor drei Stunden waren wir in Las Vegas angekommen, seit zwei Stunden und 50 Minuten saß ich im Hotel-Casino Flamingo am Einarmigen Banditen. Ich hatte keine Ahnung, wann ich den Hebel ziehen musste, aber das war mir egal. Alles war mir egal. Ich war dem Glücksspiel verfallen, vom Augenblick an, als ich das Casino betreten hatte. Was im Saal der Einarmigen Banditen zu hören
    war, klang nach echtem Reichtum. Ein endloses Rauschen von Geld, und Jubel auf amerikanische Art, also so, dass jeder es mitkriegt. Das schaffte den Eindruck, dass Gewinnen am Einarmigen Banditen ein Kinderspiel war.
    So etwas nennt man Priming .
    Priming ist ein Begriff aus der Neurophysiologie, der nachweist, wie leicht unser Gehirn auszutricksen ist. Der New Yorker Journalist Malcolm Gladwell schrieb dazu ein Buch mit dem Titel „Blink – The Power of Thinking without Thinking“ , das hatte ich gleich zweimal gelesen. Darin kann man lernen, woran es liegt, dass Menschen unter Zeitdruck keine sinnvolle Entscheidung mehr treffen können. Nach der Lektüre nahm ich mir vor, mich niemals dem Diktat der Uhr zu beugen, denn darin liegt der Hauptgrund menschlicher Fehlentscheidungen. Leider vergaß ich alle Vorsätze vor dem Einarmigen Banditen, als schon wieder eine Kirsche in zwei Displays erschien, während ich hektisch den Hebel ziehen musste, um im anderen Display die wirbelnden Kombinationen Glocke-Orange-Sieben-Kirsche im alles entscheidenden Moment zu stoppen.
    „Kirsche, Kirsche, Kirsche“, rief ich, „wenn es einen Gott gibt, dann Kirsche!“ Es machte Bling, im Display erschien – eine Glocke.
    Glocke! Scheibenkleister!
    Meine Finger fummelten nach Kleingeld, das ich völlig geprimt in den Apparat stopfte. Kirsche-Orange- Glocke und Sieben begannen erneut ihr höhnisches Spiel, als ich eine Stimme vernahm.
    „Meine Devise“, sagte sie, „die Kohle bleibt in der Tasche.“
    Es war Jonas. Er legte eine Hand aufs Display, so dass ich nicht erkennen konnte, ob Kirsche, Glocke, Orange oder Sieben mich jubeln oder fluchen lassen würden. Um mich herum rauschten die Dollars, die Gewinn vorgaukelten, aber nur Verlierer produzierten.
    „He!“, protestierte ich. „Du bist nicht durchsichtig!“ Jonas lachte. „Hören Sie das, Mr. Anderson?“, fragte er. „Das ist das Geräusch des Unvermeidlichen.“
    In Krisensituationen zitierte mein Freund gerne aus dem Film „Matrix“. Er zog mich vom Hocker. „Komm mit, Champ“, sagt er. „Ich zeig dir was.“
    Ich folgte ihm unter Protest. Das Flamingo hat 3626 Zimmer, sein Casino die Fläche eines Fußballfeldes, der Einarmige-Banditen-Saal über 800 Spielgeräte, und eines davon spuckte gerade ein paar Dollars aus, aber keiner saß mehr davor. Denn Jonas führte mich in den Black-Jack-Saal.
    „Schau dir den Redneck an“, sagte er. „Der verzockt gerade Haus und Hof.“
    Als Redneck bezeichnet man in Amerika Männer, die aus einem der Agrarstaaten des Mittleren Westens stammen. Weil sie ihre Arbeit unter freiem Himmel betreiben, haben sie meist einen Sonnenbrand im Nacken. Außerdem tragen sie gerne kurze Hosen, auch im Casino. In Baden-Baden oder Monte Carlo kämen sie so nicht mal bis zur Pforte, doch die Kleideretikette von Las Vegas sieht das ganz locker. Hauptsache, sie kommen mit Geld und gehen ohne. Wie der Redneck am Black-Jack-Tisch, der dabei war, die größte Dummheit seines Lebens zu begehen.
    „40000 auf Zahl“, flüsterte Jonas. „Der Typ ist völlig durchgeknallt.“
    Vorhin hatte ich gelernt, dass die Kombination Kirsche-Kirsche-Kirsche beim Einarmigen Banditen süßen Gewinn versprach. Doch Black Jack, irgendwie verwandt mit dem Kartenspiel 17 und 4, überstieg mein abstraktes Denkvermögen.
    „Ass und Zehn oder Ass und Bild“, erklärte Jonas, „dann kann sich Mr. Redneck „Sir“ nennen.“
    Vom Tisch kam Geschrei. Der Redneck hatte auf einmal nicht nur einen roten Nacken, sondern auch ein feuerrotes Gesicht. Er brüllte. Er weinte. Er schämte sich nicht seiner Tränen. Mit ähnlich unbewegtem Gesicht wie die scientologischen Wegelagerer strich der Croupier das Geld ein.
    „Auf Nimmerwiedersehen Jahresverdienst“, sagte Jonas. „Willst du zurück zum Banditen?“
    Ich wollte nicht. Auf einmal wollte ich weit weg sein. Und vor allem wollte ich ein Bier.
    „Oh, oh“,

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