Hannas Entscheidung
ihre Hand los, wandte sich an die Dame, die für die Zuteilung der Tische zuständig war, und versprühte seinen Charme bei ihr.
Die Ähnlichkeit von Vater und Sohn ließ sich nicht bestreiten. Aber im Gegensatz zu Ben strahlte Erik Wahlstrom warme Geborgenheit aus, und es gab nichts Gefährliches an ihm. Hanna bestellte einen Kräutertee, holte sich Obst, Porridge und Joghurt für die erste Runde. Der Opa ihres zukünftigen Patenkindes bevorzugte einen schwarzen italienischen Kaffee, Pancake und Ahornsirup.
»Scott war ein wenig brüskiert über dein Verschwinden.«
»Marie ist gut in solchen Dingen.«
»Im Verschwinden?«
»Nein. Darin, den Eindruck von meinem schlechten Verhalten wieder geradezubiegen.«
»Oh, ich verstehe. Kommt das denn häufiger vor?«
»Ja.«
»Muss praktisch sein, einen Zwilling zu haben.«
Er sah sie an. Sein Blick senkte sich auf ihren Ausschnitt. Das T-Shirt zeigte mehr Dekolleté, als sie es mochte. Ihr Gegenüber besann sich auf sein gutes Benehmen, legte sein Besteck beiseite und hob ihr die Hand entgegen.
»Darf ich?«
Tiefe Röte stieg Hanna ins Gesicht. Sie hatte völlig vergessen, dass das Kreuz Erik Wahlstroms verstorbener Frau gehört hatte. Ihre Hände gingen zum Schloss.
»Nein, bitte nicht«, bremste er sie ab. Er griff nach dem Kreuz, nahm es auf seine Fingerspitzen und strich mit dem Daumen kurz darüber. »Ich denke, es würde ihr gefallen, dass du es trägst. Es hat ihr sehr viel bedeutet.«
»Ben ...«
»Ich weiß, ich habe es ihm geschenkt.«
»Es gehört dir.«
»Nein, nicht. Wirklich. Bitte.« Sein Blick suchte ihre Augen, ein trauriges Lächeln, das sie tief berührte, erschien auf seinem Gesicht. »Ich war nur für einen Moment überrascht, das ist alles.« Er schob sich ein Stück Pfannkuchen in den Mund. »Ich war damals mit Lisa in deiner Ausstellung. Du bist eine begnadete Fotografin«, wechselte er gekonnt das Thema.
Hanna rutschte auf dem Stuhl nach vorn. Sie hätte in ihrem Zimmer bleiben sollen, einfach das Frühstück ausfallen lassen, zum Flughafen fahren, und alles wäre in Ordnung.
»Ich nehme an, ich werde derjenige unter allen Opas, der die schönsten Babyfotos von seinem Enkelkind vorzeigen kann. Ein echter Luxus.« Irgendwie schaffte er es, ihr die Befangenheit zu nehmen. »Du bist nicht gerne unter Menschen.«
»Nein.«
»Meine Frau fand das auch immer furchtbar anstrengend.«
»Wo habt ihr euch kennengelernt?«
»Bei einer Führung durch Schloss Charlottenburg.«
»In Berlin?«
»Nun, ich nehmen an, es steht immer noch da.«
Sie konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Es spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
»Sie war Studentin an der Humboldt-Universität. Sozialwissenschaften und Politologie.«
»Wieso mochte sie keine Veranstaltungen?«
»Na ja, aus soziologischen Gesichtspunkten fand sie sie interessant, aber die geballte Scheinheiligkeit machte ihr zu schaffen. Sie hatte das Gefühl, ihr würde im Laufe eines Abends immer das Lächeln im Gesicht festfrieren.«
»Schade, ich hätte sie gerne gekannt.«
»Ja, ich glaube, ihr hättet euch gut verstanden.«
»Was dagegen, wenn ich euch Gesellschaft leiste?«
Eric Wahlstrom sah auf. »Der verlorene Sohn!«
Ben musterte Hanna, deren tiefe Schatten um die Augen von einer unruhigen Nacht zeugten. Zweimal hatte er in der Nacht vor ihrer Tür gestanden, beide Male hatte ihn der Mut verlassen, und er war wieder in sein Zimmer zurückgekehrt.
Hanna ignorierte ihn, stand auf und ging zum Buffet. Sein Vater schob ihm eine Zeitung unter die Nase, ohne dabei Hanna aus dem Blick zu verlieren. »Weiß sie davon?«
Ben starrte auf die Schlagzeile in der »Zeit«: Bootsunglück in New York.
»Ja.«
»Warst du das?«
Er schwieg. Die Kellnerin kam, und er bestellte einen italienischen schwarzen Kaffee. Eric ließ die Zeitung verschwinden. Ben stand auf und holte sich sein Frühstück – Müsli, Obst und Joghurt. Hanna saß am Tisch, als er zurückkam.
»Gibt es einen Termin für die Taufe?«, fragte ihn sein Vater laut.
»Nein, Lisa wollte den Termin zwischen mir und Hanna abstimmen.«
»Du bist der Engpass«, erklärte Hanna.
»Wirst du die nächste Zeit in Berlin sein?«, fragte er betont beiläufig.
»Nein.«
»Wo dann?«
»Weiß nicht.«
»Warst du schon mal in Oslo?«
Sein Vater. Immer versuchte er die Spannung aus einem Gespräch zu nehmen – immer auf Harmonie bedacht.
»Ich?«, fragte Hanna.
»Von meinem Sohn weiß ich das.«
»Nein.«
»Ich hatte die
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