Hannas Wahrheit (German Edition)
hätte.“
„Also hat er entschieden, dass das Problem gelöst werden muss“, stellte er grimmig fest.
Sie nickte. Sie war müde und erschöpft, auch durch die frische Luft. Er gab ihr eine Pause, griff sein Handy und rief seinen Oberst an. Sie ging in die Hütte. Statt in ihr Bett zu gehen, legte sie sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Sie wollte nicht alleine sein.
Als er in die Hütte zurückkam, war Hanna eingeschlafen. Er holte eine leichte Decke und legte sie über die Schlafende. Dann nahm er seinen Laptop, setzte sich auf einen der Schwingsessel und begann mit seinem Bericht.
Verrat
A ls Hanna erwachte, war es früher Nachmittag. Auf einem Beistelltisch neben ihr warteten ein Teller mit Broten, ein geschnittener Apfel und ein großes Glas Johannisbeerschorle auf sie. Das trank sie immer, seit sie in dieser Hütte das erste Mal aufgewacht war. Ben war weit und breit nicht zu sehen. Sie aß alles brav auf, ging ins Bad und putzte sich die Zähne. Sie war ausgeschlafen und nicht mehr müde. Sie entschloss sich zu einem Abendspaziergang.
Sie zog die kühle, würzige Luft tief ein. Sie hatte Ben nicht erzählt, was sie herausgefunden hatte. Er würde Marie genauso verurteilen wie Armin. Für Ben schien es nur Schwarz und Weiß zu geben. Auch sie verurteilte, was Marie getan hatte. Man durfte nicht Menschen ohne ihr Wissen als Versuchskaninchen benutzen. Doch bevor sie ihre Zwillingsschwester an die Behörden ausliefern würde, musste sie mit ihr reden und verstehen, weshalb sie es getan hatte. Sie wollte Maries Version von der Geschichte hören, bevor sie sie verurteilte. So viel war sie ihrer Schwester schuldig.
„Stört es dich, wenn ich mich dir anschließe?“
Erschrocken zuckte sie zusammen. Ben stand schräg neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt. Er trug T-Shirt und Laufshorts. Verschwitzt wie er war, war er mit seinem Training gerade fertig.
„So?“ Sie deutete auf seine verschwitzten Sachen.
Er grinste, was ihm ein spitzbübisches Aussehen verlieh und ihr ein flaues Gefühl im Magen verursachte. „Gib mir zehn Minuten.“
Sie nickte und setzte sich auf die Stufe der Veranda, die das Haus umgab. Das Gefühl war neu, sich in der Gesellschaft eines anderen Menschen wohl zu fühlen. Nein, sie sogar zu suchen. Frisch geduscht und noch mit feuchten Haaren tauchte er wieder auf.
Gerne hätte sie ihre Kamera gehabt und ihn fotografiert. Es gab etwas an ihm, was sie völlig faszinierte und das sie nicht mit Worten ausdrücken konnte. Sie erinnerte sich an das Foto, das sie vor einiger Zeit in dem Restaurant von ihm gemacht hatte. An diesem Tag war der Jäger in ihm deutlich sichtbar gewesen. Ganz anders als jetzt, wo er sie umsorgte wie ein Vater sein Kind. Ihr war klar, dass auch dieses Verhalten nur einem Zweck diente, der Erfüllung seines Auftrags. Oder damals in der Nacht in Afrika. Nein, es war keine gute Idee, sich daran zu erinnern. Sie hatte ihn damals verführt, nicht er sie. Selbst, als sie sich gestern in seine Arme geworfen hatte, hatte er sie nicht geküsst.
„Worüber denkst du nach?“ Seine Augen waren ein dunkles Grau, fast identisch mit der Abenddämmerung, wenn man die roten, violetten und orangefarbenen Lichter der untergehenden Sonne wegließ. Sie wurde rot. Hastig suchte sie nach einer Antwort.
„Über meine Kamera.“
Ein breites Grinsen tauchte in seinem Gesicht auf und seine Augen glitzerten wie bei einem Jungen, der gerade einen genialen Streich ausheckte. Seine rechte Hand tauchte hinter seinem Rücken auf und darin lag eine nagelneue Nikon D4, wie sie sie immer am liebsten verwendete.
Sie nahm die Kamera aus seiner Hand, als wäre es die größte Kostbarkeit auf dieser Erde. Sie aktivierte die Kamera. Tatsächlich war sie schon geladen. Verschmitzt lächelte sie ihn an.
Ein warmes Gefühl von Freude durchströmte Ben. Sie richtete die Kamera auf die Hütte, dann auf den Weg zum See, den Baum und zuletzt auf ihn.
Sie ließ die Kamera sinken, als sie sein Gesicht durch das Objektiv sah. Ohne auf den Auslöser zu drücken. Das Gesicht sagte alles.
„Löschen?“
Er nickte.
„Gar nichts?“
Er schüttelte den Kopf.
Sie seufzte tief. „Ist das ein geheimes Versteck?“
„Sozusagen. Komm“, er nahm ihre Hand und zog sie mit sich, „vielleicht findest du Motive, die ich durchgehen lassen kann.“
Ihm gefiel, Hanna bei der Arbeit zu beobachten. Sie verlor sich völlig hinter der Kamera. Je mehr sie fotografierte, desto mehr entspannte sich ihre ganze
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